Hessen
Neuer Barmer-Chef erwartet mehr von der Landesregierung
Martin Till übernimmt in Kürze den Vorsitz der Landesvertretung. In der Gesundheitspolitik von Schwarz-Grün sieht er Verbesserungsbedarf.
Veröffentlicht:Frankfurt/Main. Der Neue an der Spitze der hessischen Barmer-Landesvertretung ist so neu gar nicht. Martin Till arbeitet bereits seit 1992 bei der Ersatzkasse, seit 2008 verantwortet der 55-Jährige das komplette Vertragswesen in Hessen.
Zum 1. März übernimmt er offiziell die Leitung der Landesvertretung als Nachfolger von Norbert Sudhoff, der sich nach elf Jahren an der Spitze aus gesundheitlichen Gründen zurückzieht. Im Dezember vergangenen Jahres hatte der Verwaltungsrat der Kasse Till bestellt, kommissarisch lenkt der Sportwissenschaftler und Gesundheitsökonom bereits die Geschicke der Landesvertretung mit 760.000 Versicherten und Gesundheitsaufwendungen in Höhe von gut 2,5 Milliarden Euro.
Auch wenn Till sich über die vergangenen Jahre hinweg ein „umfassendes Netzwerk in der Landespolitik und in Fachgremien“ aufgebaut hat, so sieht er im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ seine erste Aufgabe zum Start doch darin, sich und seine Positionen den politisch Verantwortlichen und Vertragspartnern vorzustellen und um intensivere Zusammenarbeit und Umsetzung zu bitten.
Problem Krankenhausplanung
Umsetzung – da sieht der gebürtige Gießener vor allem in der Gesundheitspolitik der Landesregierung Bedarf. „Die Themen dümpeln vor sich hin“, sagt Till, zum Beispiel bei der Digitalisierung sowie der Krankenhausplanung.
Nicht erst seit der entsprechenden Bertelsmann-Studie sei bekannt, dass Strukturreformen in der Krankenhauslandschaft notwendig seien. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) liefere da bereits, in Hessen habe es dagegen „bislang wenig Impulse“ gegeben. So wünscht er sich von der schwarz-grünen Landesregierung zunächst mal eine Bestandsaufnahme der Krankenhäuser und dann „ein Statement, in welche Richtung die Prioritäten gesetzt werden“.
Konzentration und Zentrenbildung
Kliniken in ländlichen Räumen seien für die Grundversorgung unstrittig, in Ballungsräumen hingegen – mit teilweise vorhandenem Konkurrenzdenken – sei nicht jede Klinik notwendig, „da sprechen wir uns für Konzentration und Zentrenbildung aus“.
Dabei sei die Abhängigkeit von der Politik durch die duale Finanzierung (Investitionskosten Land, Betriebskosten Kasse) natürlich „ein Dilemma“. Ebenso wie das Beharren vieler Kommunalpolitiker auf den Erhalt „ihres“ örtlichen Krankenhauses selbst bei roten Zahlen.
Eine Einrichtung, die heute den Status Krankenhaus habe, könnte künftig auch als Gesundheitszentrum geführt werden – ein wichtiger Schritt in Richtung sektorenübergreifende Versorgung. Als gelungenes Beispiel dafür nennt er das neue Entlassmanagement im St. Josefs-Hospital Rheingau in Rüdesheim, das er im Oktober zusammen mit Sozialminister Kai Klose (Grüne) vorgestellt hat.
Gelungenes Entlassmanagement
Dabei haben sich Klinik und die im Gesundheitsnetz Rheingau niedergelassenen Ärzte darauf verständigt, medizinische Daten fortan direkt vom stationären in den ambulanten Bereich zu übermitteln, um die frühzeitige Nachsorge der Patienten sicherzustellen. So werde der Entlassbrief schon vorab dem Hausarzt übermittelt, Pflegeheime wenn nötig einbezogen und auf mögliche Polymedikation geachtet, berichtet Till.
Vom seit gut einem Jahr amtierenden Sozialminister Klose „wünsche ich mir mehr“, sagt Till. Natürlich sei dessen Impfkampagne wichtig, auch der Runde Tisch Hebammen, „aber wir stehen vor weit mehr gesundheitspolitischen Herausforderungen – wobei er vorrangig die ärztliche Versorgung nennt. „Die Zeit der Orientierung ist mehr als auskömmlich gewesen, jetzt erwarten wir, dass was passiert!“