Hessen
Privatisiertes Uniklinikum erhält Millionenspritze vom Land
Einst hatte Hessen das UKGM an einen Klinikkonzern verkauft, um die Landeskasse von Investitionen zu entlasten. Jetzt schießt das Land wieder eine halbe Milliarde zu. An der Gegenleistung gibt es Kritik.
Veröffentlicht:Gießen. Das Land Hessen schießt fast eine halbe Milliarde Euro für Investitionen in das einst privatisierte Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM). In einer Absichtserklärung zurrten die schwarz-grüne Landesregierung, UKGM sowie der UKGM-Eigner Rhön-Klinikum AG und dessen Muttergesellschaft Asklepios einen Zehn-Jahres-Plan fest, der von 2022 jährliche Zahlungen aus der Landeskasse vorsieht. Diese beginnen zunächst mit 45 Millionen Euro und steigen dann um vereinbarte Prozentsätze bis auf gut 54 Millionen Euro im Jahr 2031, wie Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) am Dienstag in Gießen mitteilte.
Im Jahr 2006 war das UKGM nach vorheriger Fusion der Uniklinika Gießen und Marburg privatisiert und schließlich nach einem Bieterwettbewerb an die Rhön-Klinikum AG für 112 Millionen Euro verkauft worden. Unterlegener Mitbieter war seinerzeit auch der Klinikkonzern Asklepios, der dann später Rhön-Klinikum sukzessive komplett übernahm.
„Zurückschauen bringt nichts“
Grund für die erste und bis heute einzige Veräußerung eines Universitätsklinikums in Deutschland unter der von Ministerpräsident Roland Koch geführten CDU-Alleinregierung war die Befreiung des Landes von angestauten wie weiter anfallenden Investitionszahlungen. Dass diese nun doch wieder in erheblichem Maß anfallen, nennt CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier „eine Entscheidung für eine gesicherte Zukunft: Wir schaffen Planungssicherheit und Handlungsfähigkeit für das UKGM“. Zurückschauen bringe nichts.
Kommentar zu Uniklinik-Privatisierung
Der einstige „Leuchtturm“ blinkt SOS
Grünen-Ministerin Dorn, deren Partei damals vehementer Gegner des Verkaufs war, betonte mittlerweile als Koalitionspartner der Union zwar, sie stand und stehe weiter kritisch der Privatisierung gegenüber, „aber als Ministerin muss ich im Hier und Jetzt verantwortlich handeln“. Im Gegenzug für die Landesmillionen verzichte das UKGM grundsätzlich auf betriebsbedingte Kündigungen und die Ausgliederung von Betriebsteilen, berichtete Dorn.
Zudem gelte wieder die sogenannte Change-of-Control-Klausel, die dem Land für den Fall eines erneuten Verkaufs des UKGM ein Vorkaufsrecht einräumt oder eine Mitbestimmung bei der Käuferauswahl. Im ersten Fall führten die investierten (Steuer-)Millionen zu einer Kaufpreisreduktion, so Dorn, im zweiten Fall zu einer Rückzahlpflicht für den Erwerber. Eventuelle Gewinne müssten zudem im UKGM thesauriert werden.
Landesanteile werden nicht erhöht
Die Linken im hessischen Landtag kritisierten, dass mit der Investitionsvereinbarung die Landesanteile am UKGM nicht erhöht wurden – die liegen seit 2006 bei fünf Prozent. Der öffentliche Einfluss werde nicht ausgebaut, das Klinikum bleibe in der Hand einer Aktiengesellschaft und damit Spielball auf den Finanzmärkten, so deren Fraktionschef Jan Schalauske. „Wenn das Land eine halbe Milliarde in das UKGM investiert, muss es sich auch ein angemessenes Mitspracherecht beim künftigen Kurs des Klinikums sichern“, verlangte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dr. Daniela Sommer.
Dr. Christian Höftberger, Vorstandsvorsitzender von Rhön-Klinikum, wies darauf hin, allein die 45 Millionen Euro jährlich reichten nicht aus, sie seien nur Teil der notwendigen Investitionen. Was der Konzern zusätzlich investiere, „können wir heute in Euro nicht beziffern“, so Höftberger auf Nachfrage.
80 Millionen Euro im Jahr nötig
Einen Hinweis lieferte allerdings Professor Werner Seeger, Ärztlicher Geschäftsführer des UKGM: Etwa 80 Millionen Euro im Jahr brauche das UKGM für neue medizintechnische Geräte und bauliche Vorhaben. Laut Dorn sind die 45 Millionen des Landes gesplittet in 30 Millionen für bauliche Investitionen und 15 Millionen für Medizintechnik. Seeger wies auch auf eine Krux der Rhön-Investitionen hin – die seien nämlich zuletzt nur noch als Kredite erfolgt, dies es abzuzahlen gelte, so dass das Haushaltsjahr der UKGM immer mit einem Minus starte.
Für die Philipps-Universität Marburg sagte deren Präsidentin Professor Katharina Krause, Spitzenmedizin brauche Verlässlichkeit, „damit die untrennbare Einheit von Forschung, Medizinerausbildung und Krankenversorgung Früchte tragen kann“. Für die Universitätsmedizin in Mittelhessen sei diese Perspektive auf die kommenden fünf bis zehn Jahre daher zu begrüßen.