Transplantationsskandal

Anklage gegen Göttinger Arzt erhoben

Einem Transplantationsmediziner drohen Haft und Berufsverbot.

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Gegen ihn wurde Anklage erhoben: Der ehemalige Chef der Göttinger Transplantationschirurgie.

Gegen ihn wurde Anklage erhoben: Der ehemalige Chef der Göttinger Transplantationschirurgie.

© pid

GÖTTINGEN. Knapp zwei Jahre nach einem ersten anonymen Hinweis auf Manipulationen bei Organtransplantationen hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig jetzt Anklage gegen den früheren Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie erhoben.

Die Vorwürfe sind so schwerwiegend, dass sich der 46-jährige Mediziner vor dem Schwurgericht Göttingen wird verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag in elf Fällen sowie Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen vor.

Im Falle einer Verurteilung drohten ihm mindestens drei Jahre Haft. Außerdem komme die Verhängung eines Berufsverbots in Betracht, teilte eine Justizsprecherin am Mittwoch mit.

Vorwurf: Versuchter Totschlag

Laut Anklage soll der Chirurg während seiner dreijährigen Tätigkeit am Göttinger Uniklinikum in elf Fällen fälschlicherweise Patienten als dialysepflichtig an die Vergabestelle von Spenderorganen "Eurotransplant" gemeldet haben.

Fünf dieser Patienten hätte er auch deshalb gar nicht melden dürfen, weil sie die vorgeschriebene Alkoholabstinenz von sechs Monaten nicht eingehalten hatten. In drei Fällen soll er außerdem falsche Blutwerte angegeben haben.

Durch die Manipulationen seien die Patienten auf der Warteliste für eine Spenderleber so weit nach oben gerückt, dass ihnen innerhalb kürzester Zeit ein Spenderorgan zugewiesen wurde.

Die Staatsanwaltschaft wertet diese Fälle als versuchten Totschlag, weil dadurch andere Patienten, die lebensbedrohlicher erkrankt waren, kein Spenderorgan erhielten und möglicherweise aus diesem Grund starben.

Außerdem soll der Mediziner in drei Fällen fahrlässig den Tod eigener Patienten herbeigeführt haben.

Es bestehe der dringende Verdacht, dass er den Patienten eine neue Leber einpflanzte, obwohl diese nicht so lebensgefährlich erkrankt gewesen seien, dass eine Transplantation erforderlich gewesen wäre. Außerdem hätten medizinische Befunde gegen den solchen Eingriff gesprochen.

Dem Arzt sei bewusst gewesen, dass die Transplantationen keinerlei gesundheitliche Vorteile, wohl aber Risiken für die Patienten beinhalteten. Die Operationen hätten letztlich zum Tod der drei Patienten geführt.

Weitere Verdachtsfälle eingestellt

Das Göttinger Klinikum hatte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe von dem Mediziner getrennt. Im Januar wurde er wegen Fluchtgefahr festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Da die Untersuchungshaft in der Regel höchstens sechs Monate dauern darf, stand die Staatsanwaltschaft unter einem gewissen Zeitdruck.

Nach Angaben der Behördensprecherin gibt es neben den jetzt angeklagten Fällen noch 28 weitere Verdachtsfälle, die zunächst vorläufig eingestellt wurden.

In sieben Fällen soll der Arzt Patienten ein Organ transplantiert haben, obwohl sie für eine Operation zu krank waren und eine Kontraindikation bestand.

Nicht bestätigt haben sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft die Vorwürfe der Bestechlichkeit und des Organhandels. Die Ermittlungen gegen eine Firma, die dem Klinikum einen russischen Patienten vermittelt hatte, habe man eingestellt.

Noch nicht abgeschlossen sind dagegen die Ermittlungen gegen vier weitere Mediziner des Göttinger Uni-Klinikums, darunter den beurlaubten Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie.

Sie stehen im Verdacht, an den Manipulationen und Eingriffen beteiligt gewesen zu sein. Das Ergebnis der Ermittlungen sei noch offen. (pid)

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