Interview
Die Mimik als Schlüssel einsetzen!
Im Interview mit der "Ärzte Zeitung" berichtet die Psychologin Professor Andrea Hildebrandt, wie man mit der eigenen Mimik bewusst Stimmungen steuern kann.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: In vielen Dienstleistungsberufen wird von den Mitarbeitern inzwischen erwartet, dass die Mimik stets freundlich und lächelnd sein soll. Wie wirken sich diese dauerhaften Anforderungen an die Mimik auf die Psyche der Mitarbeiter aus?
Prof. Andrea Hildebrandt: Dazu fällt mir die sogenannte Facial-Feedback-Hypothese ein. Charles Darwin postulierte, dass das Anregen oder Hemmen von Emotionsausdrücken dazu beitragen kann, wie stark eine Emotion erlebt wird. Wenn wir also gewollt positive Ausdrücke zeigen, wird das womöglich auch unsere Stimmung positiv beeinflussen.
Mir sind keine negativen Auswirkungen der positiven Expressivität auf das Wohlbefinden bekannt. Wenn die Facial-Feedback-Hypothese doch verteidigt werden kann, würden wir eher eine positive Beeinflussung des absichtsvollen Lächelns auf das Wohlbefinden erwarten – auch auf längere Sicht.
Welche Auswirkungen hat es auf die Mitarbeiter, wenn sie auch dann freundliche und lächelnde Mimik zeigen sollen, wenn das Gegenüber, also beispielsweise der Kunde, verärgert und aggressiv ist und auch so auftritt?
AH: In diesem Fall haben wir es mit Strategien der Emotionsregulation zu tun. In der von Ihnen beschriebenen Situation müssten die Mitarbeiter vorerst die eigene Emotion unterdrücken oder dämpfen und dann eine positive Emotion simulieren. Das ist eine Emotionsregulationsstrategie, die in Vergleich zu einer Neubewertung als konkurrierende Emotionsregulationsstrategie negative Auswirkungen auf das generelle Wohlbefinden hat.
Die Neubewertung kann jedoch trainiert werden, es handelt sich also um eine Fähigkeit, die durchaus erlernt und ausgebaut werden kann. Somit sollten Mitarbeiter, die häufig in negative soziale Interaktionen involviert sind, Strategien der Neubewertung und die mimische Unterstützung der Neubewertung unter professioneller Begleitung üben, sodass negative Effekte aus das Wohlbefinden womöglich vermieden werden.
Und wie wirkt sich dies auf die Kunden aus, wenn die Reaktion der Mitarbeiter offenbar nicht adäquat auf die Stimmungslage der Kunden ist?
AH: Es gibt natürlich große zwischenmenschliche Unterschiede darin, wie sehr wir uns von unserem Gegenüber generell und die Mimik des Gegenübers speziell anstecken und beeinflussen lassen. Es ist gut etabliert, dass die Imitation des Gegenübers auch eine spontane, automatische Facette hat.
Ich könnte mir also vorstellen, dass Kunden, die sich ausreichend ernst genommen fühlen, denen aber mit positiver Expressivität begegnet wird, auch automatisch in die Lage versetzt werden können, die negative Wahrnehmung einer Situation zu revidieren.
Manche Menschen haben Schwierigkeiten, über die Mimik Gefühle auszudrücken oder auch bei anderen Menschen zu erkennen. Welche Schwierigkeiten in der Interaktion zwischen Menschen ergeben sich dadurch?
AH: Wir kennen es ja aus eigener Erfahrung, dass Kennenlernen-Phasen mit expressiven Personen weniger soziale Unsicherheit erwecken. Empathische Perspektivenübernahme ist eine Facette interpersoneller Interaktionen, die stark von emotionalen Erkennungsfähigkeiten abhängt.
Personen, die weniger in der Lage sind, Emotionen aus der Mimik Anderer zu erkennen, sind auch in der Regel weniger empathisch in zwischenmenschlichen Interaktionen. Zudem sind sie auch darin eingeschränkt, die Wirkung des eigenen Verhaltens zu überwachen, weil die Rückmeldungen im sozialen Kontext häufig in spontanen mimischen Ausdrücken der Interaktionspartner gesendet werden.
Es ist auch offensichtlich, dass Personen mit stark ausgeprägten mimischen Kommunikationsfähigkeiten als sozial kompetenter wahrgenommen werden. Auch Partnerschaften profitieren von solchen Kommunikationskompetenzen in dem Sinne, dass Personen mit besser ausgeprägten emotionalen Kommunikationsfähigkeiten von engeren und verbindlicheren Partnerschaftsbeziehungen berichten.
Auch die Vorhersage eines positiven Beziehungsverlaufs war günstiger bei Personen, die die eigene Partnerin oder den eigenen Partner als emotional kompetenter eingeschätzt haben.
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