Der Standpunkt
Gesunde Psyche - Basis für Erfolg der Fußball-Profis
Der Freitod des schwer depressiven Robert Enke hat kein Umdenken im deutschen Profifußball bewirkt. Nach wie vor sind psychische Leiden ein Tabu und eine psychologische Betreuung selten, findet Thorsten Schaff. Dabei entscheidet der Kopf über die Leistung des Spielers.
Veröffentlicht:Der Autor ist Online-Redakteur im Newsroom der "Ärzte Zeitung". Schreiben Sie ihm: thorsten.schaff@springer.com
18- bis 29-jährige Menschen sind hierzulande am stärksten gefährdet, an Depressionen zu erkranken. Nach der "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" ist fast jeder Zehnte in dieser Altersgruppe betroffen, beim Burn-out sind es 2 von 100.
Der Großteil der Profifußballer fällt genau in diese Altersgruppe. Statistisch gesehen müsste also jeder zehnte Bundesliga- und Zweitliga-Spieler mit Depressionen zu kämpfen haben.
Wie viele es wirklich sind, werden wir auch heute, wenn die neue Bundesliga-Saison angepfiffen wird, nicht erfahren. Nur von drei aktiven Profis - Martin Amedick, Martin Fenin und Markus Miller - weiß man, dass sie psychisch erkrankt sind oder waren.
Doch haben wir einen Anspruch auf dieses Wissen? Nein, das Patientengeheimnis gilt auch im Leistungssport. Offenbar scheuen sich viele Betroffene nicht nur, sich öffentlich zu ihrer Erkrankung zu bekennen, sondern sie tun dies nicht einmal gegenüber ihrem Verein.
Dabei sollten gerade psychische Leiden im Fußball kein Tabu mehr sein. Nach dem tragischen Freitod des schwer depressiven Nationaltorwarts Robert Enke im November 2009 hatte der deutsche Profifußball ein Umdenken angekündigt, und die Vereine einen offenen Umgang mit psychischen Erkrankungen versprochen. Doch genau das ist nicht gelungen.
Unverständlich ist: Die Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga geben Unsummen für die medizinische Versorgung ihrer Stars aus, damit körperliche Schäden verhindert und Verletzungen so schnell wie möglich behoben werden - doch bei der psychologischen Betreuung wird geknausert.
In der Regel haben die Bundesliga-Vereine einen Stab von 10 bis 15 Trainern, Mannschaftsärzten, Physiotherapeuten und Betreuern allein für ihren Profibereich. Aber ein Spezialist für die mentale und psychologische Betreuung ist nur in den allerseltensten Fällen darunter: Lediglich zwei der 36 Klubs des Ligaverbands geben in unserer Umfrage an, einen Sportpsychologen zu beschäftigen.
Dabei ist es doch gerade der Kopf, der die Bewegungsabläufe des Körpers steuert und über die Leistung eines Spielers entscheidet. Die psychische Gesundheit ist die Basis für Erfolg - auch des Vereins. Das müssen die Klubverantwortlichen wohl erst noch lernen.
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