Highlights 1996

Hans Küng und die aktive Sterbehilfe

Veröffentlicht:

Neu-Isenburg, 13. Dezember 1996. In einem Interview der "Ärzte Zeitung" kritisiert der Theologe Hans Küng die Position der Bundesärztekammer zur Sterbehilfe.

Sie ziehe sich auf das Strafrecht zurück und erkläre für "unärztlich" (Küng: "Ein Unwort!"), was nach Auffassung vieler Ärzte durchaus Aufgabe des Arztes sein kann: "nämlich Menschen bei einem würdigen Sterben zu helfen".

Er habe gehört, dass aktive Sterbehilfe täglich aus echter Barmherzigkeit geübt werde - nur reden dürfe man davon nicht.

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Lutz Barth 01.06.201208:02 Uhr

Highlight 2011: Ethisches Zwangsdiktat!

Ob es sich Hans Küng vorstellen konnte, dass „nur“ 15 Jahre später sich auf Anregung der BÄK der 114. Deutsche Ärztetag zu einem ethischen Zwangsdiktat hat hinreißen lassen und damit die individuelle Gewissensentscheidung der vorgeblich freien Ärzteschaft zu „Grabe getragen wurde“?

Nun – wie es scheint, schreitet der Vorstand der BÄK ungehindert auf seiner Mission fort, obgleich mehr als ein Drittel der Ärzteschaft sich für eine Liberalisierung auch des ärztlichen Berufs- und Standesrechts ausgesprochen haben. Das Highlight aus dem Jahre 2011 wirkt derzeit ganz aktuell nach und mit Spannung erwarten wir daher das Urteil des VG Berlin, dass die Debatte erneut beleben wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der ethische Neopaternalismus zu Recht in die Grenzen verwiesen wird und auch die BÄK gelegentlich daran erinnert wird, dass die prinzipiell den Kammern eingeräumte berufs- und standesrechtliche Normsetzungskompetenz sich am Verfassungsrecht messen lassen muss.

Es gereicht dem hochangesehenen Berufsstand der Ärztinnen und Ärzte nicht zur Ehre, wenn diese über eine berufsrechtliche Verbotsnorm ihres individuellen Grundrechtsschutzes letztlich beraubt werden!
Die Mitwirkung des Arztes bei einem frei verantwortlichen Suizid eines schwersterkrankten und sterbenden Menschen bleibt ein Akt höchster Humanität und die Ärzteschaft wäre gut beraten, der sich aus den eigenen Reihen aufgeworfenen Frage zu stellen, ob es nicht im Einzelfall gar ein arztethisches Gebot sei, bei einem Suizid zu assistieren.

Allfällige Sonntagsreden helfen im Diskurs nicht weiter und es ist hohe Zeit, dass die Funktionäre der Ärztekammern – allen voran diejenigen bei der BÄK – endlich den hohen Wert des Selbstbestimmungsrechts der Patienten und der Gewissensfreiheit ihrer Kolleginnen und Kollegen erkennen.

Allerdings scheinen die Funktionäre die Debatte um die ärztliche Suizidassistenz aussitzen zu wollen und da liegt es im wohlverstandenen Interesse der verfassten Ärzteschaft, aber vornehmlich auch der unmittelbar betroffenen Patienten, dass der parlamentarische Gesetzgeber über das Verbot der kommerziellen Sterbehilfe hinaus sich dem Problem der Suizidbeihilfe annimmt. Die BÄK hat sich als wenig kompetent erwiesen, die mit der Sterbehilfe verbundenen Rechtsfragen zu regeln, wie nicht zuletzt auch die Entschließung des aktuell zu Ende gegangenen Ärztetages zur kommerziellen Sterbehilfe dokumentiert. Es wäre redlicher gewesen, sich zu einer Regelung zu bekennen, wie wir sie aus Österreich kennen. Dass dies nicht geschehen ist, dürfte einzig darauf zurückzuführen sein, dass der Vorstand der BÄK durchaus weiß, dass er mit einer solchen Position sich endgültig vom Selbstbestimmungsrecht der Patienten verabschieden würde und damit einen Vertrauensverlust in die ethische Integrität der verfassten Ärzteschaft bewirkt hätte, der irreparabel gewesen wäre.

Wir benötigen keine „lex Kusch oder Dignitas“, sondern ein Bekenntnis des parlamentarischen Gesetzgebers zu den für selbstverständlich erachteten Grundrechten auch der verfassten Ärzteschaft.
In der Debatte wird gerade den Sterbehilfe-Aktivisten Dilettantismus von engagierten Ärzten vorgeworfen und da erhebt sich wie von selbst die Frage, ob es nicht nach mehr als 15 Jahren (und im Übrigen einer Jahrtausend alten Debatte) es nicht vielmehr darum gehen muss, den dilettierenden Hobbyethikern und Moralisten gleichfalls das entsprechende „Handwerk“ zu legen, die da insbesondere meinen, über das Berufsrecht ethische Zwangsdiktate einiger weniger Funktionäre absichern zu können?

In diesem Sinne darf auf ein Highlight des Jahres 2012 gehofft werden, in dem die BÄK und ihr folgend einige Landesärztekammern davon Abschied nehmen, das Recht zur individuellen Gewissensentscheidung ihrer Kolleginnen und Kollegen zu beugen!

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