Philippinisches Katastrophengebiet

Hunger, Durst und ohnmächtige Wut

Die Ohnmacht der Taifun-Opfer auf den Philippinen schlägt in Gewalt um. Immer noch hungern Hunderttausende. Die Weltwetterorganisation nennt Ursachen für die Katastrophe: Der Klimawandel hat fatale Auswirkungen.

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Zerstörung - zeichnet die Landschaft von Tacloban.

Zerstörung - zeichnet die Landschaft von Tacloban.

© Mast Irham / epa / dpa

GENF/WARSCHAU. Der Anstieg des Meeresspiegels wegen der Klimaerwärmung macht Taifune zu einer größeren Gefahr für Küstenbewohner.

Das erklärt die Weltwetterorganisation WMO in einem Bericht, der jetzt auf der UN-Klimakonferenz in Warschau vorgestellt wurde.

Die WMO geht in ihrem Report davon aus, dass 2013 zu den zehn heißesten Jahren seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1850 gehört. Zwischen Januar und September habe die Temperatur weltweit um 0,48 Grad über dem Langzeitdurchschnitt zwischen den 1960er und den 1990er Jahren gelegen.

In Australien, Japan, China und Südkorea seien im Sommer Rekordtemperaturen gemessen worden.

Meeresspiegel im März auf Rekordstand

"Auch wenn man einzelne Zyklone nicht unmittelbar auf den Klimawandel zurückführen kann, machen höhere Meeresspiegel die Küstenbewohner anfälliger für Flutwellen", sagte der WMO-Generalsekretär Michel Jarraud. "Die tragischen Konsequenzen dessen haben wir auf den Philippinen gesehen."

Der Klimawandel wirke sich nicht nur auf die Temperaturen aus, sondern verursache auch Dürren, Fluten und extreme Regenfälle.

Laut dem ersten Teil des jüngsten Weltklimaberichts, den der Weltklimarat IPCC im September vorgestellt hat, erreichten die Meeresspiegel im März 2013 einen Rekordstand.

Seit den 1990er Jahren seien sie im Durchschnitt um 3,2 Millimeter pro Jahr gestiegen und damit doppelt so schnell wie im Durchschnitt der Jahre 1901 bis 2010.

Depot mit Reisvorräten gestürmt

Unterdessen schlägt die Ohnmacht der hungernden Taifun-Opfer auf den Philippinen in verzweifelte Gewalt um. Auch fünf Tage nach der verheerenden Naturkatastrophe saßen am Mittwoch Hunderttausende ohne Essen und Trinkwasser in den Trümmerbergen des riesigen Katastrophengebiets.

In der Ortschaft Alangalan auf der verwüsteten Insel Leyte stürmten Tausende ein Depot mit Reissäcken. Dabei stürzte eine Wand des Gebäudes ein und erschlug acht Menschen, berichtete der Sprecher der nationalen Nahrungsmittelbehörde, Rex Estoperez.

Die Zahl der Todesopfer stieg auf mindestens 2275, wie die Behörde für Katastrophenschutz berichtete. Sie listet nur bestätigte Fälle auf und macht keine Schätzungen.

Viele Menschen wurden allerdings noch unter den Trümmern vermutet, einen Überblick über die gesamte Totenzahl gab es nicht. Präsident Benigno Aquino hatte zuvor in einem Interview mit CNN gesagt, die Gesamtzahl könne bei 2500 liegen.

Nach Angaben von Estoperez plünderten die Leute in dem Essensdepot 129.000 Säcke Reis à 50 Kilogramm. Er bezifferte den Schaden auf umgerechnet gut 21 Millionen Euro. Der Zwischenfall hatte sich am Dienstag ereignet.

"Wir appellieren an diejenigen, die Reissäcke mitgenommen haben, sie mit anderen zu teilen und nicht zu verkaufen", sagte er. 600.000 Menschen haben nach Angaben der Katastrophenbehörde ihre Bleibe verloren und sind dringend auf Hilfe angewiesen.

Regierung bittet um Nachsicht

Das Problem ist nach wie vor, Lebensmittel und Wasser zu den Betroffenen zu bringen. Die Menschen werden immer verzweifelter.

"Bitte habt Verständnis: Eine Katastrophe von diesem Ausmaß haben wir noch nie erlebt", sagte Rene Almendras, Sekretär des Kabinetts, bei einem Briefing der Katastrophenbehörde.

"Wir haben ein System, aber es ist nicht perfekt", räumte der Chef der Behörde, Eduardo del Rosario, ein. "Wir merzen die Probleme aus."

"Es ist wirklich ärgerlich, niemand in der Regierung scheint die Zügel in der Hand zu haben", sagte der Kongressabgeordnete Carlos Zarate der Nachrichtenagentur dpa. "Die Menschen verhungern oder sterben an Durchfall".

Der Bürgermeister von Davao, Rodgrigo Duterte, klagte: "Nicht Gott hat die Menschen bei diesem Desaster verlassen, sondern die Regierung." Diese hält mit Erfolgsmeldungen dagegen; Transportflugzeuge würden immer mehr Regionen erreichen.

"C130 mit Hilfsgütern in Ormoc gelandet", verkündete sie in einem Nachrichtenkanal. "22.778 Essenspakete in Tacloban verteilt."

Angesichts der Masse von Menschen, die auf Hilfe warten, war das ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Nerven liegen blank, die lange Warterei hat die Menschen mürbe gemacht.

"Es dauert alles so lange. Alle reden und niemand tut etwas - sie sollte endlich kommen und dieses Elend beenden", schimpfte Gerald Navarro, ein Rikscha-Fahrer in der verwüsteten Stadt Ormoc auf Leyte.

In der Klinik fehlt Trinkwasser

Nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde wurden mindestens 3665 Menschen verletzt. Im Notstandsgebiet sind inzwischen zahlreiche mobile Einheiten mit Ärzten und Pflegern unterwegs, um Erste Hilfe zu leisten - unter ihnen auch Teams aus Deutschland.

Aber selbst im Krankenhaus von Tacloban, das bei dem Taifun unter Wasser stand, gebe es nicht genügend Trinkwasser, berichtete ein Reporter der BBC.

Heftiger Regen hatte viele der Trümmerfelder, in denen Menschen meist unter freiem Himmel hausen, unter Wasser gesetzt.

Am Mittwoch verzogen sich die Wolken in der Region um Tacloban zunächst, aber der Wetterdienst rechnet in den kommenden Tagen mit weiteren Regenfällen. (dpa)

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