Angst vor Missbrauch

Kommunen blockieren Gesundheitskarte

Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge wird in Brandenburg nicht wie geplant zum 1. Juli flächendeckend eingeführt. Viele Kommunen fürchten die Kosten und den möglichen Missbrauch der Karte.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Flüchtling zur Behandlung in einer Arztpraxis. Mit der Gesundheitskarte wird es für Ärzte einfacher, die Behandlung von Flüchtlingen abzurechnen. In Brandenburg dauert die flächendeckende Einführung nun aber länger als gedacht.

Flüchtling zur Behandlung in einer Arztpraxis. Mit der Gesundheitskarte wird es für Ärzte einfacher, die Behandlung von Flüchtlingen abzurechnen. In Brandenburg dauert die flächendeckende Einführung nun aber länger als gedacht.

© Wendtt / dpa

POTSDAM. Als Startwunschtermin für die Gesundheitskarte hatte Brandenburgs Sozialministerin Diana Golze (Die Linke) im März den 1. Juli angegeben. Daraus wird nun offenbar nichts, wie ein Sprecher des Ministeriums nach einem entsprechenden Bericht der "Märkischen Oderzeitung" bekannt gab.

Lediglich die Landeshauptstadt Potsdam wird nach jetzigem Stand ab Juli Gesundheitskarten an Flüchtlinge ausgeben. Die anderen Kommunen halten sich noch zurück. Bislang sind die meisten von ihnen der Vereinbarung zwischen Land und Krankenkassen zur Einführung der Gesundheitskarte nicht beigetreten.

Als Gründe werden von den Landräten und Oberbürgermeistern immer wieder die Angst vor einem Missbrauch der Karte genannt und die Sorge, trotz gesetzlich vorgesehener Kostenübernahme durch das Land auf Aufwendungen für die Behandlung der Flüchtlinge sitzen zu bleiben. Das Land wird deshalb nicht müde, immer wieder zu betonen, dass für die Kommunen kein Kostenrisiko besteht.

Übernahme "eindeutig geregelt"

In dem Landesaufnahmegesetz sei eindeutig geregelt, dass das Land Brandenburg alle Kosten für die gesundheitliche Versorgung von Asylsuchenden trägt, heißt es in einer Broschüre mit Fragen und Antworten zur elektronischen Gesundheitskarte, die das Sozialministerium erst kürzlich veröffentlicht hat.

Sämtliche Zahlungen der Landkreise und Städte an die Kassen, also auch die Verwaltungskostenpauschale in Höhe von sechs Prozent, seien notwendige Aufwendungen und würden erstattet. Die Kommunen müssten zudem nicht in Vorleistung gehen, da sie Abschlagszahlungen beantragen könnten.

Trotz der schleppenden Beitrittserklärungen plant Brandenburg derzeit nicht, die Gesundheitskarte für Flüchtlinge über einen verbindlichen Erlass landesweit einzuführen. Nach "jetzigem Stand" sei "keineswegs von einer Verweigerung der Kommunen, der Vereinbarung zwischen Land und Kassen beizutreten, zu sprechen", betont eine Sprecherin des Sozialministeriums. Momentan seien noch Fragen bezüglich der praktischen Umsetzung zu klären.

Einige kommunale Aufgabenträger befänden sich auch noch in einem Prozess der Meinungsbildung. "Wir gehen davon aus, dass die Beitritte nun sukzessive erfolgen werden und daher eine landesweite Regelung nicht erforderlich sein wird", so die Sprecherin.

Für den Beitritt zur Rahmenvereinbarung hat im Mai auch die AOK Nordost, eine der beteiligten Krankenkassen, geworben. Ihr Hauptargument: Die Verwaltungen der Kommunen werden durch die Einführung der Gesundheitskarte entlastet.

Landkreise und Städte profitierten

Erfahrungen aus anderen Bundesländern wie zum Beispiel Berlin zeigten zudem, dass ein systematischer Missbrauch der Karte nicht stattfinde. Sollte dies dennoch der Fall sein, habe das Land vertragsmäßig zugesichert, die dadurch entstehenden Kosten zu erstatten. Desweiteren profitierten die Landkreise und Städte von den Preisstrukturen der GKV wie etwa bei Rabattverträgen.

Noch nicht unterzeichnet ist derzeit auch eine Rahmenvereinbarung zur Gesundheitskarte zwischen dem Land und der Kassenärztlichen Vereinigung.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 07.06.201611:36 Uhr

"It''s the economy, stupid" hieß es in Bill Clinton''s Wahlkampf 1992

Der ÄRZTE ZEITUNG (ÄZ) Titel "Kommunen blockieren Gesundheitskarte" in erster Linie aus "Angst vor Missbrauch" bleibt unglaubwürdig. Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister lassen sich vor allem von ökonomischen Erwägungen leiten.

Denn liebe ÄZ-Leserinnen und -Leser, wissen Sie eigentlich, was die Gesetzlichen Krankenkassen der GKV alleine für die Ausgabe bzw. die reine Verwaltung der E-Health-Card als GKV-Versichertenkarte bei Asylbewerbern und Flüchtlingen bereits o h n e jegliche Krankheitsanlässe von den Kommunen verlangen?

10 Euro pro Monat, also 30 Euro im Quartal! Und als zusätzliches „Trinkgeld“ obendrauf bis zu 8 Prozent der tatsächlich entstandenen medizinisch-ärztlichen Behandlungskosten, wohlgemerkt ohne einen einzigen diagnostischen und/oder therapeutischen Handschlag getan zu haben!

Bevor auch nur irgendeine medizinische Dienstleistung oder ärztliche Versorgung stattfindet, sichert sich z. B. die AOK allein über die lukrative Kartenausgabe schon mal erhebliche Mehreinnahmen o h n e erkennbare Gegenleistung! "Demnach müssen die Gemeinden acht Prozent der Gesundheitsausgaben, mindestens jedoch zehn Euro pro angefangenen Behandlungsmonat und Leistungsberechtigtem zahlen." Das sind reine Verwaltungskosten, denn: "Die Kosten für die Behandlung übernimmt nach wie vor die Kommune; Kassen springen lediglich als Dienstleister ein."
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gp_specials/fluechtlinge/article/903418/fluechtlingsversorgung-streitpunkt-gesundheitskarte.html

Bei unserem komplexen EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab), speziell beim Verwaltungskomplex nach GOP 01430 (12 Punkte, 1,25 Euro), frage ich mich dagegen, wer bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) denn diese „betriebswirtschaftliche“ Blind-Kalkulation einer Verwaltungspauschale von 1,25 Euro pro Quartal verbrochen hat?

Denn allein mit dem möglicherweise sogar mehrfachen Öffnen einer Praxis-Tür und dem Betreten der Praxis in einem laufenden Quartal über 3 Monate sind mit einer "Lachnummer" von 12 Punkten nicht mal die Bereitstellungs- und Personalkosten, geschweige Unterhalt und Instandsetzung von Praxisräumen oder Abschreibungen inkludiert?

Allein das An- und Hochfahren heutiger EDV-Anlagen bzw. die Speicherung individueller Patientendaten übersteigt den Betrag von 4 Punkten pro Monat (gut 41 Cent) um ein Vielfaches!

Einzelheiten zur EBM-Kalkulation:
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/aerztliche_verguetung/abrechnungstipps/article/902331/abrechnungstipp-tuecken-verwaltungspauschale.html

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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