Ärzte ohne Grenzen

Psychischer Druck bei Flüchtlingen gestiegen

Während das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen in Deutschland für Entlastung sorgt, leiden die Schutzsuchenden unter der gestiegenen Unsicherheit. Psychische Krankheiten sind die Folge.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:

BERLIN. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnt davor, dass das im März 2016 geschlossene EU-Türkei-Abkommen negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Flüchtlingen habe. In den "Hotspots" auf den griechischen Inseln sei die Zahl der Asylsuchenden mit psychischen Beschwerden stark gestiegen.

Dies geht aus einem Bericht hervor, den die MSF auf ihrer Frühjahreskonferenz in Berlin vorstellten. Demnach hat sich die Zahl der Patienten mit Angstsymptomen und Depressionen im psychologischen Programm von Ärzte ohne Grenzen auf der Insel Lesbos im vergangenen Jahr um das Zweieinhalbfache gesteigert. Der Anteil der Patienten mit posttraumatischem Stresssyndrom hat sich verdreifacht. Häufiger geworden sind auf Lesbos und auch auf Samos außerdem Symptome von Psychosen und schwere Traumata.

"Viele unserer Patienten sind vor extremer Gewalt, Folter und Krieg geflohen und haben eine äußerst gefährliche Flucht überlebt. Jetzt werden ihre Ängste und Depressionen verschärft durch die schlechten Lebensbedingungen und dadurch, dass sie keine Informationen über ihren rechtlichen Status erhalten", erklärt die auf der griechischen Insel Samos tätige Psychologin Jayne Grimes den Anstieg. "Sie verlieren jegliche Hoffnung auf eine sichere, bessere Zukunft. Ich treffe oft Menschen, die Selbstmordgedanken haben oder sich selbst verletzen wollen." Ärzte ohne Grenzen leistet seit 1996 Hilfe für Migranten und Asylsuchende in Griechenland und ist derzeit an mehr als 20 Orten im Land aktiv. Schwerpunkte sind dabei psychologische Betreuung, Mutter-Kind-Gesundheit und die Behandlung chronischer Krankheiten. 2016 zählten die Teams in Griechenland 72.740 Konsultationen.

MSF zeigt sich generell unzufrieden mit dem EU-Türkei-Abkommen. "Menschen auf der Flucht vor Gewalt und Krieg werden heute genauso im Stich gelassen wie vor einem Jahr", kritisiert Florian Westphal, Geschäftsführer von MSF Deutschland. "Unsere Teams in Griechenland, auf dem Balkan, in Libyen und auf dem Mittelmeer erleben täglich, wie Menschen unter dieser restriktiven Politik leiden."

Als Reaktion auf den EU-Türkei-Deal hat Ärzte ohne Grenzen im Juni 2016 entschieden, keine Gelder von der EU und ihren Mitgliedsstaaten mehr anzunehmen. Die Organisation fordert sichere und legale Fluchtwege durch Umsiedlung, humanitäre Visa und Familienzusammenführung.

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