Unfalltod
Risiko Landstraße
Landstraßen in Deutschland sind gefährlich - fast zwei Drittel der Verkehrstoten sind dort verunglückt. Fachleute halten Tempo 80 für ein Gegenmittel. Aber nicht nur darauf kommt es an.
Veröffentlicht:GOSLAR. Eine Fahranfängerin gerät in den Gegenverkehr, es kracht, der Fahrer des anderen Autos ist tot. Ein junger Mann kommt von der Straße ab, der Wagen überschlägt sich, der Fahrer stirbt im Krankenhaus.
Ein missglücktes Überholmanöver, das Auto schleudert gegen einen Baum, für die Beifahrerin kommt jede Hilfe zu spät. Unfälle wie diese seien typisch, sagt Siegfried Brockmann, Unfallforscher beim Gesamtverband der deutschen Versicherungen (GDV).
Sie ereignen sich vor allem auf Landstraßen.
Schmal, kurvig und gefährlich
Schließlich verunglückten fast zwei Drittel der Verkehrstoten in Deutschland auf Landstraßen. 2013 waren es 1934 Opfer. Nach jüngsten Hochrechnungen könnten es 2014 sogar noch etwas mehr gewesen sein.
Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar vom 28. bis 30. Januar wollen Experten in dieser Woche deshalb darüber beraten, wie die insgesamt rund 200 000 Kilometer Landstraße in Deutschland sicherer gemacht werden könnten.
Denn viele Landstraßen sind schmal, kurvig, sie haben unbefestigte Seitenstreifen und bieten schlechte Sicht zum Überholen.
Für die allgemein zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern seien sie nicht gebaut, sagt Christian Kellner, Hauptgeschäftsführer des deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR).
"Für Straßen, die weniger als sechs Meter breit sind, sollte es deshalb ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern geben", fordert Kellner. Zustimmung erhält er von Kay Nehm, dem Präsidenten des Verkehrsgerichtstages.
"Um die Unfallzahlen auf Landstraßen zu senken, muss man mehr Geschwindigkeitsbeschränkungen einführen."
Das sei sinnvoll, findet Hannelore Herlan von der Deutschen Verkehrswacht. Auch für Unfallforscher Brockmann steht fest: "Auf schmalen Landstraßen sollte grundsätzlich höchstens Tempo 80 erlaubt sein."
Das gelte auch für Alleen. Brockmann warnt: Die von Bäumen ausgehende Gefahr werde von Autofahrern in der Regel unterschätzt.
Und das hat Folgen: "Etwa 20 Prozent aller Verkehrstoten sterben an Bäumen", sagt Kellner. "Das ist irrsinnig. Wir müssen da etwas tun." Ein Mittel: Leitplanken an Alleen. "Dadurch könnte die Wucht des Aufpralls gemindert werden."
Plädoyer für die dritte Spur
Auch mehr Überholverbote könnten zur Sicherheit beitragen, meint Kellner. Dabei wäre für ihn die ideale Landstraße dreispurig. "Wenn mal die eine und dann die andere Seite überholen kann, ist der Überholdruck nicht da."
Für die dritte Spur - wo es geht - plädiert auch der ACE Autoclub Europa: -Diese Spuren verhindern tödliche Überholmanöver mit Frontalcrashs-, sagt Sprecher Rainer Hillgärtner.
Allerdings seien die deutschen Landstraßen vom Idealzustand ziemlich weit entfernt. Der ACE fordert deshalb eine "Investitionsoffensive für mehr Sicherheit".
Wirksame Unfallverhütung setze nämlich nicht nur regelkonformes Fahrverhalten und angepasstes Tempo voraus, sagt Hillgärtner. Auch auf die Qualität der Straßen komme es an. "Nachhaltig sanieren, das ist das Gebot der Stunde."
Ein Beispiel seien die Bankette, die besser befestigt sein müssten, sagt der ACE-Sprecher. "Wer nur für wenige Zentimeter von der Fahrbahn abkommt, fährt häufig in Furchen und wird dann mit einem Überschlag auf den Acker bestraft."
Die Lösung: unfallträchtige und kritische Abschnitte der Landstraßen regelmäßig inspizieren - und entschärfen.
Seit 1963 hat sich der Deutsche Verkehrsgerichtstag zu einem national und international anerkannten und beachteten Forum für Fragen des Verkehrsrechts, der Verkehrspolitik, der Verkehrsmedizin, der Verkehrspsychologie, der Verkehrstechnik und angrenzender Bereiche der Verkehrswissenschaft entwickelt.
Neben dem Thema "Unfallrisiko auf Landstraßen" geht es in diesem Jahr in Goslar zum Beispiel um die Frage der Einführung von neuen Promillegrenzen für Radfahrer und die Ablenkungsgefahr durch moderne Kommunikationstechniken im Straßenverkehr. (dpa/eb)