Röntgenkunst

Transparente Schönheit des Inneren

Ecce bestia, ecce planta: Geröntgt und digital koloriert bieten natürliche Arrangements von Pflanzen und Tieren einen anderen Blick auf Bekanntes. So entstehen Bilder von mitunter verstörender Schönheit.

Von Gabriele Wagner Veröffentlicht:
Biorama „Turdus magnolia“ (Amsel auf Magnolienzweig) des Medizinphysikers Arie van ’t Riet.

Biorama „Turdus magnolia“ (Amsel auf Magnolienzweig) des Medizinphysikers Arie van ’t Riet.

© ARIE VAN ’T RIET / SPL / Agentur Focus

NEU-ISENBURG. Spektakuläre An- und Einblicke gewährt die Kunst des niederländischen Medizinphysikers Arie van 't Riet. Er arrangiert Still-Leben mit Pflanzen und Tieren, röntgt die Ensembles und gibt digital Farbe hinzu. Bioramen nennt er seine Bilder. Einige werden beim diesjährigen Kongress RSNA in Chicago zu sehen sein.

Arie van 't Riet

Bioramen: Die Bilder gibt es in einer limitierten und signierten Edition von zehn Stück.

Preis: Eine Preisliste gibt es beim Künstler auf Anfrage per E-Mail: ariet@daxis.nl

YouTube: Arie van ’t Riet erzählt über seine Kunst im Video: http://tiny.cc/lbhopx

Direktlink:Zur Webgallery mit vielen Bildern; zur Seite mit neuen Bildern

Van 't Riet wirft in seinen Arbeiten einen besonderen Blick auf eigentlich Alltägliches. Dreidimensionale Still-Leben mit Pflanzen und Tieren als Bilder oder Installationen, so genannte Dioramen, sind per se nichts Neues. Doch die Art und Weise, wie van 't Riet sie uns präsentiert, ist spektakulär.

Denn van 't Riet röntgt seine sorgfältig zusammen gestellten Ensemble und bearbeitet sie anschließend digital, indem er die Aufnahmen zunächst invertiert und dann teilweise koloriert.

Eine weitere Bearbeitung findet nicht statt; so werden keine Objekte digital hin- oder herausgeschnitten, darauf legt der ehemalige Medizinphysiker Wert. Für die Röntgenaufnahmen arbeitet er in einem eigenen, entsprechend umgebauten Studio, und natürlich hat er auch eine Genehmigung.

Mehrere Minuten Röntgenzeit

Wie er seine Bioramen erstellt, verriet van 't Riet Springer Medizin am Beispiel des Bioramas "Amsel auf dem Magnolienzweig" (Turdus magnolia). Zunächst arrangierte er Zweig und Amsel. Dann wurde das Arrangement zweimal geröntgt: Die erste Aufnahmezeit betrug 3,5 Minuten mit einer Röhrenspannung von 18 kVp (ohne Filter), um die Blütenblätter und die Vogelfedern abzubilden.

Anschließend röntgte van 't Riet noch mal zwei Minuten mit 50 kVp und einem 0,5-mm-Aluminiumfilter, um die Vogelknochen aufzunehmen. Anschließend wurde das Bild mit einem Digitalumwandler digitalisiert.

Hohe Dosen, zarte Bilder

Als Film nahm er einen Kodak X-Omat V (wird nicht mehr produziert). Und diese von van 't Riet bevorzugte Filmsorte ist der Grund für die - aus medizinischer Sicht - ungewöhnlich hohen Dosen.

Denn die Filmsorte hat eine geringe Sensitivität. Sie wurde entwickelt, um die Position des Röntgenstrahls bei therapeutischen Bestrahlungen zu überprüfen, wie der pensionierte Medizinphysiker erzählte.

Die hohen Dosen sind auch der Grund, warum van 't Riet niemals lebende Tiere für seine Bioramen benutzt. Die Amsel in dem vorgestellten Biorama war zum Beispiel sozusagen Opfer eines Verkehrsunfalls. Auf die Idee, solche Bioramen zu erstellen, kam van 't Riet, als ein Kollege ihn bat, ein Ölgemälde zu scannen.

Van 't Riet arbeitete damals im Strahlentherapeutischen Institut (RISO) in Deventer, Niederlande. Er hatte niemals zuvor so dünne Objekte gescannt. Als ihm das allerdings bei dem Ölgemälde gelang, experimentierte er mit noch dünneren Objekten wie Blütenblättern.

Die Herausforderung ist, die optimalen Strahlungsdosen zu finden, um so verschieden dicke Objekte wie Pflanzenblätter und ganze Tiere aufzunehmen. Deshalb benutzt van 't Riet auch hin und wieder Filter, um einzelne Teile des Bioramas abzudecken, was die Röntgendosis bei dünnen Objekten reduziert und gleichzeitig höhere Dosen bei den Tieren ermöglicht.

Ecce bestia, ecce planta

Die Bioramen geben einen ganz anderen Blick auf Still-Leben, die als Originalobjekt fast kitschig wirken könnten, wie die Amsel auf dem Magnolienzweig. Doch durch die Röntgentechnik bekommen die Bilder einen berührenden Kick; fast im Sinne eines "ecce bestia" und "ecce planta".

Van 't Riet hofft, dass seine Bilder dazu beitragen, die Schönheit der Natur sichtbar zu machen und sie besser zu verstehen.

Dekorativ sind die Bioramen allemal - und vielleicht auch ein passendes Weihnachtsgeschenk für liebe Menschen und Kollegen, die eigentlich schon alles haben.

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