Tod im Ausland

War es doch Mord?

Die im Leichenpass vermerkte Todesursache stimmt oft nicht mit der Realität überein; das hat eine Studie ergeben. Bei im Ausland gestorbenen Bundesbürgern ist daher nach der Überführung in jedem Fall eine Sectio durch einen geschulten Arzt zu fordern.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Nur in 78 Prozent der Fälle waren bei Obduktion im Ausland alle drei Körperhöhlen eröffnet worden.

Nur in 78 Prozent der Fälle waren bei Obduktion im Ausland alle drei Körperhöhlen eröffnet worden.

© P. Kneffel / picture alliance

Hamburg. Die Reise des Weltenbummlers Holger H. mit dem Rad durch 34 Länder endete im Frühjahr 2018 in einer Schlucht im mexikanischen Bundesstaat Chiapas. Ein Unfall schien wahrscheinlich: Der 43-Jährige hatte offenbar – so stellte es die Staatsanwaltschaft in Chiapas zunächst dar – auf einer kurvenreichen Bergstraße die Kontrolle über sein Fahrrad verloren und sei 200 Meter tief in die Schlucht gestürzt.

Noch in Mexiko wurde der Leichnam des deutschen Staatsangehörigen obduziert. Die dabei festgestellten Verletzungen am Schädel veranlassten die Staatsanwaltschaft, ein sturzbedingtes Schädel-Hirn-Trauma als Todesursache anzunehmen. Dementsprechend lautete auch der Eintrag in dem für die Überführung nach Deutschland ausgestellten Leichenpass.

Zwei Einschusslöcher im Schädel

Dass es sich ganz anders verhalten haben musste, wurde den Rechtsmedizinern des Universitätsklinikums Frankfurt am Main klar, als sie die Leiche von Holger H. noch einmal einer ausführlichen Sectio unterzogen und dabei zwei Einschusslöcher im Schädel des Toten fanden. Holger H. war offenbar einem Mord zum Opfer gefallen.

Nach Dr. Franziska Holz, Rechtsmedizinerin am Universitätsklinikum, sollte man sich auf die im Leichenpass dokumentierte Todesursache bei im Ausland gestorbenen Bundesbürgern nicht verlassen: In einer retrospektiven Studie mit 151 Leichen, die aus 56 unterschiedlichen Ländern nach Deutschland überführt wurden, kam man bei der Sektion in Deutschland in 10,2 Prozent der Fälle zu einem abweichenden Ergebnis.

Bei der Obduktion im Reiseland wird offenbar nicht selten geschludert: Nur in 78 Prozent waren alle drei Körperhöhlen eröffnet worden. Wo dies der Fall war, waren nur in gut 15 Prozent alle Organe präpariert worden. In gut 5 Prozent aller Fälle lag lediglich ein Hautschnitt oder eine unversehrte Körperhöhle vor.

Todesursache nicht nachvollziehbar

In 18 Prozent war die im Leichenpass vermerkte Todesursache für die Frankfurter Rechtsmediziner „nicht nachvollziehbar“. Bei knapp der Hälfte aller Fälle war entweder im Leichenpass gar keine Todesursache vermerkt oder es lag gar kein entsprechendes Dokument vor oder der Pass war in einer Fremdsprache außer Englisch oder Französisch verfasst. Insgesamt entsprachen nur 12 Prozent den Empfehlungen des European Council of Legal Medicine zur Obduktion.

„Das Problem ist, dass in Deutschland der Leichenpass mit dem Leichenschauschein gleichgesetzt wird“, bemängelte Holz bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in Hamburg. Das bedeute, ein Leichnam, der aus dem Ausland überführt wurde, könne theoretisch erdbestattet werden, ohne dass jemand verpflichtet sei, eine nicht natürliche Todesursache zu melden.

Wünschenswert wäre der Expertin zufolge, dass grundsätzlich nach Eintreffen in der Bundesrepublik ein hierfür speziell geschulter Arzt die Leichenschau durchführt, auch wenn im Ausland bereits eine Sektion (auch mit Eröffnung aller drei Körperhöhlen) stattgefunden habe. Da bei der Vorobduktion im Ausland oft nicht alle Organe präpariert würden, könne eine zweite Sektion durchaus neue Erkenntnisse bringen.

Vorbildlich ist nach Holz das Verfahren, das in Hamburg praktiziert wird: Hier müssen seit 2007 alle Leichen, die über den Hafen oder den Flughafen nach Deutschland gelangen, von einem geschulten Arzt freigegeben werden. Dies diene nicht nur dem seuchenhygienischen Aspekt, sondern auch der Erkennung und Meldung nicht natürlicher und ungeklärter Todesfälle.

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