„ÄrzteTag“-Podcast
Was unterscheidet gute von schlechten Lobbyisten, Martin Degenhardt?
„Ohne gute Lobbyisten keine gute Politik“ – Martin Degenhardt muss es wissen. Er vertritt die Interessen niedergelassener Ärzte und Psychotherapeuten in Berlin. Ein Gespräch über Hinterzimmer und die Chancen für die Entbudgetierung.
Veröffentlicht:Martin Degenhardt ist Politikwissenschaftler. Er hat für Abgeordnete gearbeitet und den damaligen CSU-Chef Horst Seehofer. Seit vielen Jahren ist er Geschäftsführer der Freien Allianz der Länder-KVen (FALK). In Berlin vertritt er als Lobbyist die Interessen „seiner“ KVen und insbesondere die der niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeuten.
„Ich bin stolzer Lobbyist“, sagt er. Warum? „Weil ich legitime Interessen vertrete.“ In der öffentlichen Wahrnehmung sei Lobbyismus oft mit Korruption und undurchsichtigen Machenschaften verbunden. Doch für Degenhardt ist Transparenz der Schlüssel: „Gesprächspartner müssen wissen, wer ich bin, von wem ich bezahlt werde und welche Interessen ich vertrete.“ Seine Arbeit betrachtet er als unverzichtbar für die Demokratie. „Ein Arzt in seiner Praxis hat weder die Zeit noch die Ressourcen, sich mit den Details gesetzlicher Regelungen auseinanderzusetzen. Dafür braucht es uns.“
Als wichtigen Erfolg seiner Arbeit nennt er die Rückverlagerung der Honorarverteilung auf die Landesebene. „Das war unser erster großer Erfolg. Entscheidungen vor Ort sind näher an den Bedürfnissen der Praxen und sorgen für mehr Gerechtigkeit.“ Doch Herausforderungen wie die starre Budgetierung und steigende Bürokratie lasteten weiterhin schwer auf den Praxen. „Wenn Prozesse nicht praktikabel sind, steigen die Kosten für die Praxen. Das können wir uns nicht leisten.“
Schlechter Lobbyismus und politische Abhängigkeit
Degenhardt kritisiert, was er „schlechten Lobbyismus“ nennt: Agenturen, die Termine mit politisch irrelevanten Akteuren arrangieren oder bewusst falsche Zahlen verbreiten. „Das ist hochgradig unseriös und beschädigt den gesamten Berufsstand.“
Er warnt aber auch vor einer immer stärkeren Aufblähung der Ministerien bei gleichzeitiger Unterausstattung des Parlaments. „Die Augenhöhe zwischen Exekutive und Legislative hat abgenommen. Das Parlament muss personell besser ausgestattet werden, um seiner Kontrollfunktion gerecht zu werden.“
Zur Erinnerung: Mit dem neuen Wahlrecht wird der Deutsche Bundestag nach der Wahl am 23. Februar rund 100 Abgeordnete weniger haben. Unterm Strich müssen die dann weniger Abgeordneten sich mit mehr Themen beschäftigen, wodurch die Tiefe beim Sachverstand leiden wird. Das wiederum könnte Abgeordnete für Lobby-Einflüsterungen empfänglicher machen.
Demokratie heißt Kompromiss
Angesprochen auf die Forderung nach einer Entbudgetierung ärztlicher Leistungen bleibt Degenhardt realistisch: „Eine Umsetzung bis Januar 2026 ist möglich, aber nur, wenn wir die Kassenlage berücksichtigen.“ Ein blindes „Mehr, mehr, mehr“ sei nicht zielführend: „Wir müssen priorisieren und uns auf die Punkte konzentrieren, die den Praxen am meisten helfen.“
Trotz aller Herausforderungen sieht Degenhardt die Demokratie als unverzichtbar, gerade in ihrer mühsamen Komplexität. „Kompromissfähigkeit ist essenziell. Wer das nicht akzeptiert, will Absolutismus – und das ist nicht unser Weg.“ Der Streit innerhalb der Ärzteschaft, etwa über eine neue Gebührenordnung GOÄ, zeigt für ihn, wie schwer es sein kann, unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen. „Es wird Verlierer geben. Aber ohne Kompromisse kann eine Demokratie nicht funktionieren.“
Degenhardt fordert, dass die neue Bundesregierung schnell ein Entlastungsgesetz auf den Weg bringt. „Die Entbudgetierung muss kommen, und zwar gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode.“ Für ihn ist klar: „Ohne politische Unterstützung wird die Schere zwischen steigenden Kosten und sinkenden Einnahmen in den Praxen weiter auseinandergehen – und das System an seine Grenzen bringen.“ (Länge: 1:05:34 Stunden)
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