Kassenfinanzen
3,1 Milliarden Euro Defizit – und ein Gewinner
Die große Koalition verabschiedet sich bald, die Finanzierungsprobleme in der GKV bleiben. Doch nach drei Quartalen teilt der Finanzausgleich die Kassen in Verlierer und einen Gewinner.
Veröffentlicht:Berlin. Schlechte Nachrichten für die Koalitionäre in spe: Die Krankenkassen trudeln immer tiefer ins Defizit. Nach drei Quartalen sind Ausgabenüberschüsse von 3,1 Milliarden Euro aufgelaufen. Allerdings gibt es Gewinner und Verlierer.
Die AOK-Gemeinschaft verzeichnet nach neun Monaten ein Minus von 2,7 Milliarden Euro. „Damit hat sich der Negativtrend aus dem zweiten Quartal fortgesetzt“, sagt der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, der „Ärzte Zeitung“. Zur Jahresmitte hatte das Defizit bei den Ortskassen noch 1,6 Milliarden Euro betragen.
Auch der Ausgabenanstieg habe sich mit 4,4 Prozent beschleunigt, hier spiegelten sich die Folgen der „kostspieligen Gesetzgebung“ wider, so Litsch. Beeinflusst sein dürfte das Ergebnis auch vom durch den Gesetzgeber erzwungenen Abbau von Rücklagen bei den Einzelkassen.
Reform des Finanzausgleichs treibt die Entwicklung
Ganz anders die Entwicklung bei den Ersatzkassen: Hier steht nach drei Quartalen ein Überschuss von 77 Millionen Euro in der Bilanz. Zur Jahresmitte hatten die sechs Ersatzkassen noch ein geringfügiges Minus von 14 Millionen Euro ausgewiesen. Motor der Entwicklung ist hier der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich.
Im April 2020 war das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz in Kraft getreten. Es hat mehrere Parameter des Finanzausgleichs neu justiert. Dazu zählt auch eine Regionalkomponente, die finanzielle Belastungen zwischen Krankenkassen ausgleichen soll, die auf regional unterschiedliche Ausgabenstrukturen zurückzuführen sind.
Die aktuellen Folgen: Im dritten Quartal hätten sich bei den Ersatzkassen die Einnahmen dynamischer als die Ausgaben entwickelt. Insgesamt stiegen die Einnahmen in der Kassenart in den drei Quartalen im Schnitt um 7,5 Prozent je Versicherten. Die Steigerungsrate bei den Ausgaben erreichte mit 5,6 Prozent je Versicherten ein hohes Niveau. Ursache seien unter anderem höhere Festzuschüsse beim Zahnersatz sowie höhere Vergütungen für Heilmittelerbringer gewesen.
IKK- und BKK-System mit Ausgabenüberschüssen
Das IKK-System bilanziert nach drei Quartalen ein Minus von knapp 207 Millionen Euro. Damit habe sich im Vergleich zum Vorquartal das Ergebnis nochmals um rund 185 Millionen Euro verschlechtert.
Treiber dieser Entwicklung auch bei den Innungskassen ist nach Verbandssprecherin Iris Kampf der gesetzlich vorgegebene Vermögensabbau nach Paragraf 272 SGB V. Im dritten Quartal seien zudem auch Nachholeffekte zu verzeichnen, nachdem im Spätsommer die Inanspruchnahme von Leistungen kaum noch durch Corona-Vorgaben eingeschränkt gewesen ist.
Die Betriebskrankenkassen weisen nach neun Monaten ein Defizit von rund 330 Millionen Euro aus. Auch hier hat sich das Halbjahresergebnis nochmals verschlechtert (minus 235 Millionen Euro).
Finanzen 2023 – eine Blackbox
Am vergangenen Donnerstag hat der Bundestag die Zuschussverordnung gebilligt und damit einen Haken an den Bundeszuschuss in Höhe von 28,5 Milliarden Euro für das kommende Jahr gemacht. Die Jahre 2023 fortfolgende sind für die Kassenmanager aber eine Blackbox. „Aus AOK-Sicht muss die Ampel-Koalition schnellstmöglich eine nachhaltige Finanzierungslösung für die GKV schaffen“, forderte Litsch.
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, beschrieb die Entwicklung als ein „unkalkulierbares Auf und Ab in der Pandemie“. Trotz des Überschusses gebe es keinen Grund zur Entwarnung, so Elsner: „Wir erwarten in diesem Jahr massive Leistungsausweitungen durch die Nachwirkungen kostspielieger Leistungsgesetze der scheidenden Bundesregierung, hinzu kommt die Blackbox Corona-Pandemie.“ Auch Elsner erwartet für 2023 ein „immenses Defizit“ in der GKV.