Frankreich

Ärzte drohen mit Eskalation

Niedergelassene Ärzte in Frankreich wollen die geplante Abschaffung der Kostenerstattung nicht widerstandslos hinnehmen.

Denis Durand de BousingenVon Denis Durand de Bousingen Veröffentlicht:

PARIS. Mit Empörung haben Ärzteverbände auf die Abstimmung der Gesundheitsreform durch die französische Nationalversammlung reagiert.

Sie wehren sich vor allem gegen die Abschaffung des Kostenerstattungsprinzips, das schrittweise ab Anfang Juli 2015 bis Ende 2017 durch das Sachleistungsmodell ersetzt werden soll.

Obwohl der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, den Gesetzentwurf noch verabschieden muss, gilt seine Annahme so gut wie sicher. Denn im Fall einer Ablehnung des Entwurfs durch die Senatoren hätte das Votum der Nationalversammlung in einer zweiten Lesung Vorrang.

Zwei der vier großen Verbände niedergelassener Ärzte haben ihre Mitglieder zum "Ungehorsam" aufgerufen. Konkret sollen Ärzte ab 1. Juli alle Patienten, die Soziahilfe empfangen, nach dem Sachleistungsprinzip behandeln - und nicht mehr wie bisher nur die ärmsten Patienten, die aus finanziellen Gründen darauf angewiesen sind.

Nach dem Willen der Verbände sollten Ärzte dagegen nur bei tatsächlich bedürftigen Patienten wie bisher auf die Vorauszahlung verzichten.

Preiserhöhung umstritten und Ärzten

Die weiteren Stufen der Reform, die ab Anfang 2016 alle chronisch kranken Patienten und dann ab 2017 alle Patienten erfassen sollen, lehnen die Verbände ebenfalls ab. Sie wollen an den bestehenden Regeln festhalten.

Darüber hinaus schlagen einige Verbände ihren Mitglieder vor, einseitig statt der gesetzlichen Pauschalpreise von 23 Euro jetzt 25 Euro abzurechnen. Diese Preiserhöhung, die strafbar sein würde, gilt auch unter Ärzten als umstritten.

Als höchste Eskalationsstufe gilt, wenn die Ärzteverbände entscheiden würden, die kollektiv geltenden Berufs-und Tarifverträge mit den Kassen zu kündigen. Dies hätte zur Folge, dass die Patienten alle Kosten selbst übernehmen müssten - eine Situation, die Notmaßnahmen der Regierung erzwingen würde.

In einigen Regionen haben sich in den vergangenen Tagen sogenannte "Ärztekoordinationen" gebildet. Diese Ärztegruppen, die außerhalb der Verbände die Proteste mit eigenen Mitteln fortsetzen wollen, hatten Anfang der 2000er Jahren Erfolge erzielt.

Sie erreichten damals durch Generalstreiks eine Honorarerhöhung. Auch jetzt sind Streiks und Demonstrationen geplant, eine Entspannung der Situation ist nicht in Sicht.

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Kommentare
Dr. Wolfgang Bensch 28.04.201521:40 Uhr

Kostenerstattung vs. Sachleistungssystem

Soll das in Frankreich als "nouvelle vague" eingeführt werden, was schon vor über einem Jahrzehnt von einer versierten Sozialrichterin hierzulande so eingeschätzt wurde:
"Das seit 120 Jahren geltende Sachleistungsprinzip ist nur noch für wenige Eingeweihte verständlich. Es ist durch eine Vielzahl von Gesetzesänderungen chaotisch und undurchschaubar geworden. Wenn es auch auf einer genialen Grundidee beruht und sich in der Vergangenheit bestens bewährt hat:
Heute ist es überholt. Es entmündigt den Versicherten, statt ihm die Verantwortung für sich selbst zuzutrauen. Deshalb sollte es vom Kostenerstattungsprinzip abgelöst werden. Dieses System ermöglicht dem Versicherten nicht nur die Kontrolle. Mit Basisleistungen, Bonusregelungen, Mehrkostenleistungen und anderen Mechanismen zur Stärkung der eigenen Verantwortung bei deutlicher Beitragssenkung würde das Kostenerstattungsprinzip ihm endlich auch die Entscheidung darüber erlauben, was ihm eine Behandlung wirklich wert ist."

Ruth Schimmelpfeng-Schütte in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung Oktober 2003

Dr. Frank Krimphove 28.04.201515:18 Uhr

Die Wertigkeit des deutschen Kassenarztes

23,00€ "gesetzliche Pauschalpreise" - es fehlt der Hinweis: PRO KONSULTATION! Ich erlaube mir den Hinweis, dass der deutsche Kassenarzt mit 40,00€ PRO QUARTAL zufrieden sein muss - und offensichtlich auch will.

An den Kollegen aus Frankreich sollten sich die deutschen Kassenärzte ein Beispiel nehmen. Der deutsche Kassenarzt schaut seit Jahren teilnahmslos zu, wie seine Freiberuflichkeit Stück für Stück verbraten wird.

Der Franzose lässt sich nicht unter Wert verhökern - und kämpft.

Dr.med.F.Krimphove-Desloy Berlin

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