"Honorarskandal"

Ärzte rüsten zum Kampf

Johlen, Stampfen, Bravo-Rufe, minutenlanges rhythmisches Klatschen: Bei der Sonder-VV der KBV herrschte eine aufgeheizte Stimmung. Der Beschluss zum Honorar erzürnt die Ärzteschaft - und macht sie kampfeslustig. Die Basis brodelt. Die KBV will klagen. Kommt es jetzt zum Streik?

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Tag der Abstimmung: Die Delegierten der KBV-Sonder-VV wollen gegen den Beschluss des Bewertungsausschusses klagen. (Bei Klick aufs Bild gelangen Sie zur Fotostrecke).

Tag der Abstimmung: Die Delegierten der KBV-Sonder-VV wollen gegen den Beschluss des Bewertungsausschusses klagen. (Bei Klick aufs Bild gelangen Sie zur Fotostrecke).

© David Vogt

BERLIN (nös/af). Nach dem Beschluss ist vor dem Protest: Die vom erweiterten Bewertungsausschuss (eBA) beschlossene Anpassung des Orientierungspunktwertes um 0,9 Prozent hat innerhalb der Ärzteschaft für einen Sturm der Entrüstung gesorgt.

Auf der Sonder-Vertreterversammlung der KBV (VV) am Samstag in Berlin wurde das wahre Ausmaß der Enttäuschung deutlich. Johlen, Stampfen, Bravo-Rufe, minutenlanges rhythmisches Klatschen: Es herrschte eine Atmosphäre wie vor einem Kampf, vor den ersten Schlägen, die zwei Boxer im Ring austauschen.

Die mehreren hundert Ärzte, die KBV spricht von 700, die zusammengekommen waren, gaben ihre Zurückhaltung auf und begeisterten sich an der Vorstellung eines bevorstehenden Arbeitskampfes, in dem eine einige Ärzteschaft es den gesetzlichen Krankenkassen einmal so richtig zeigen werde. Manche sprachen von einem "Krieg der Kassen gegen uns Ärzte".

Die Delegierten sprachen sich nach einer zweieinhalbstündigen hitzigen Debatte einstimmig dafür aus, gegen den Beschluss des eBA zu klagen. KBV-Chef Dr. Andreas Köhler kündigte an, die Klage bereits am Montag beim zuständigen Landessozialgericht Berlin/Brandenburg in Potsdam einzureichen.

"Wir fordern das Bundesgesundheitsministerium auf, diesen Beschluss zu beanstanden", heißt es in der verabschiedeten Resolution.

Der Beschluss sei ein "unerträgliches Zeichen dafür, dass sich die Krankenkassen ihrer Verantwortung nicht mehr bewusst sind", heißt es weiter. Er bedeute für die Ärzte einen "realen Einkommensverlust in Höhe von zehn Prozent".

Köhlers Rede wird gelobt

KBV-Chef Dr. Andreas Köhler hatte in einer viel und oft gelobten Rede die kampfeslustige Stimmung vorbereitet. Man habe nicht mehr den Eindruck, als wollten die Kassen die Menschen versichern, sagte Köhler.

Ihr einziges Ziel scheine zu sein, die Ärzte als Pfuscher, Betrüger und geldgierige Abzocker darzustellen. "Es ist ein Angriff auf die Würde eines ganzen Berufsstandes, der in der Bevölkerung wie kein anderer höchstes Ansehen genießt", versuchte Köhler den Beifall zu übertönen.

Köhler kritisierte das Verhalten der Kassen als rechtswidrig. Er verwies auf das Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG), in dessen Begründung es heiße: "Für morbiditätsbedingte Mehrleistungen haben die Kassen mehr Geld zur Verfügung zustellen."

An den Gesundheitsminister gewandt, der in den kommenden zwei Monaten die Ergebnisse des Bewertungsausschusses rechtlich untersuchen lassen kann, sagte er: "Herr Bahr, handeln Sie unverzüglich, sonst wird es für die Versorgung der Menschen problematisch".

Bahr hat sich bislang nicht geäußert. Aus dem Ministerium war zunächst nur die Warnung an die Ärzte zu hören, den Protest nicht "auf dem Rücken der Patienten" auszutragen.

Montgomery stärkt Ärzten den Rücken

Der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Frank Ulrich Montgomery, seit Freitag Professor honoris causa, stärkte den niedergelassenen Ärzten auf der VV demonstrativ den Rücken und zeigte sich kampfesmutig: "Die Politik ist aufgefordert, das Machtkartell der Kassen zu brechen."

"In der Auseinandersetzung mit den Krankenkassen geht es längst nicht mehr nur um die Höhe des Orientierungswertes bei den Arzthonoraren. Es geht um grundsätzliche Fragen der ärztlichen Berufsausübung", sagte Montgomery.

Mit seinen fortwährenden Angriffen und Verunglimpfungen desavouiere der Kassenverband alle Ärztinnen und Ärzte in Praxen und Krankenhäusern. Die 140.000 Vertragsärzte könnten sich der Solidarität und Unterstützung aller Ärztinnen und Ärzte in Deutschland sicher sein.

Mit Blick auf den Spitzenverband der Krankenkassen erklärte der Ärzte-Präsident: "Wir haben es längst mit einem verantwortungslosen Machtkartell zu tun, das monopolartig versucht, uns unter seine Knute zu zwingen."

Montgomery sicherte den Ärzten die "volle Unterstützung und Solidarität" der Ärztekammern zu: "Wir müssen den Kampf gemeinsam ausfechten."

Kurzfristige Protestmaßnahmen denkbar

Auf Konfrontation sind die Ärzte auf jeden Fall aus. Eine Blitzumfrage der "Ärzte Zeitung", zeigt, dass mehr als jeder Zweite mit Praxisschließungen und knapp ein Drittel mit anderen Protestaktionen auf das Honorarergebnis reagieren würden. Nur 16 Prozent wollen den Abschluss akzeptieren.

Womöglich könnte es schon kurzfristig Protest- und Streikmaßnahmen geben. Zahlreiche Ärzteverbände haben den Kassen in einer gemeinsamen Erklärung vom Samstag bis Montag ein Ultimatum gesetzt, den Beschluss nachzubessern. Andernfalls würden die Leistungen der niedergelassenen Ärzte deutlich reduziert.

Der Bundesvorsitzende des NAV-Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich, relativierte das Ultimatum während einer Pressekonferenz am Samstag allerdings. Er sprach davon, dass es in "einigen Wochen" zu Kampfmaßnahmen kommen könnte.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sprach sich am Samstagmorgen gegen Streiks aus: "Das Mittel ist für uns Hausärzte jetzt nicht angebracht", sagte er im "Deutschlandfunk".

Dem widersprach am Samstagnachmittag während der Pressekonferenz KBV-Vize Regina Feldmann, zuständig für den hausärztlichen Bereich. Sie erwarte, dass voraussichtlich 80 Prozent der Hausärzte ihre Linie des Protests unterstützen werden.

Sie schließt die Zustimmung daraus, dass zahlreiche Mitglieder des Hausärzteverbands auf der VV anwesend waren und sich als Unterstützer des Protests gezeigt hätten.

Als Grund für das Ausscheren Weigeldts vermutet Feldmann, dass er sich für einen möglichen Machtwechsel in der Politik im kommenden Jahr schon jetzt in Stellung zu bringen versuche.

"Kassen haben die rote Linie überschritten"

Ungeachtet dessen demonstrierten die niedergelassenen Ärzte am Samstag eine selten erlebte Einigkeit. Mit Ausnahme einiger kritischer Worte schlossen sich die Reihen, um vor allem KBV-Chef Köhler den Rücken zu stärken.

Bereits am Montag tritt der erweiterte Bewertungsausschuss zu einer weiteren Sitzung zusammen. Köhler rechnet allerdings nicht mit entscheidenden Änderungen am Beschluss. Das sei ein formalisiertes Verfahren.

Der VV-Vorsitzende, der Psychotherapeut Hans-Jochen Weidhaas, nannte den Beschluss des eBA und das Vorgehen der Krankenkassen einen "desaströsen Angriff auf die Sicherstellung der ambulanten Versorgung".

Unter brandendem Beifall und Johlen aus dem Publikum sagte er: "Die Kassen haben die rote Linie überschritten." Man werde den Beschluss nicht tatenlos hinnehmen.

Von der VV müsse ein eindeutiges Signal an Kassen und Politik ausgehen, sagte er zum Anfang der Debatte. Zu diesem Zeitpunkt war über die Resolution noch nicht abgestimmt.

NAV-Virchowbund-Chef Heinrich kritisierte den "neuen Kassenslogan": "Wenn es ums Geld geht, lassen wir euch im Regen stehen." Er appellierte an die Ärzte, sich dem Protest anzuschließen, "sonst sind wir verloren". Heinrich: "Holen wir uns unser Selbstbestimmungsrecht zurück!"

Dr. Norbert Metke, Chef der Südwest-KV, riss die Menge zu erwartungsfrohen Jubelstürmen hin: Die Kassen planten eine Kassenräterepublik mit Spitzelmentalität. Es gehe um die Machtfrage in diesem Land, schrie er in die aufbrandenden "Jawohl"-Rufe hinein.

"Ich bitte die Politik flehentlich, dieses Ding über die Rechtsaufsicht einzupacken", wandte sich Metke an Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).

Und dann wurde er unmissverständlich: "Wenn Sie das nicht tun, werde ich in Baden-Württemberg kraft Amtes die Versorgung den zur Verfügung gestellten Mitteln anpassen", sagte Metke.

Das bedeute nur noch Patientenversorgung, aber keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen mehr, keine Qualitätsprüfungen, keine Formularanfragen. Der Saal tobte.

Nicht nur Lob für Köhler

Dr. Axel Brunngraber aus Hannover forderte, den Körperschaftsstatus der Kassenärztlichen Vereinigungen infrage zustellen, "um nicht weiter gefesselt zu sein". Brunngraber: "Das ganze SGB-V-System ist rechtswidrig. Es wird nur noch aus Angst vor dem Systemversagen betrieben."

Dr. Wieland Dietrich von der Freien Ärzteschaft (FÄ) verwies darauf, dass es rechtskonform sei, die Praxen drei Monate zu schließen.

In dieser Zeit könnten die Kollegen ihre Patienten auf Rechnung behandeln: "Und dann haben wir die Kassen, wo wir sie haben wollen, nämlich in der Leistungspflicht."

Trotz der geschlossenen Reihen äußerten manche Redner auch offene Kritik an der Linie der KBV und ihrem Vorsitzenden Köhler.

Eine Hausärztin aus Baden-Württemberg, die sich als "Nicht-HzV-Ärztin" bezeichnete, forderte von Köhler, er müsse nun wirklich beweisen, "dass er die Systemfrage stellt". Idealerweise sollte er dies mit einer Rücktrittsdrohung verbinden.

Ein Orthopäde aus Wuppertal wurde noch deutlicher: Köhler schwinge nur intern große Reden, aber nicht nach außen, kritisierte er.

Dr. Matthias Lohaus, Vorstand der Ärzteorganisation MEDI, warf dem KV-System Versagen bei der Honorarverteilung vor. Sein Honorar habe sich in den letzten Jahren gedrittelt. "Hoffen wir, dass Köhler Taten folgen lässt."

Ein fachärztlicher Kollege aus Berlin forderte gar, Köhler solle seinen Hut nehmen, "wenn das Verhandlungsergebnis nicht stimmt".

Heftige Kritik aus allen KVen

Dem Unmut, der am Samstag auf der VV in Berlin geäußert wurde, dürften auch viele Ärzte an der Basis zustimmen. Sie sind enttäuscht von der "Dreistigkeit" der Krankenkassen. Angesichts der geringen Erhöhung bleibt manchem "glatt die Spucke weg", wie es ein Leser auf www.aerztezeitung.de schrieb.

Lautstarken Protest äußerten am Freitag bereits nahezu alle Kassenärztlichen Vereinigungen. Kritik an der geringen Honorarerhöhung kam auch aus den Ärztekammern und der Politik.

Die KV Bremen bezeichnet die Entscheidung als "Schlag ins Gesicht" - ebenso die KV Hamburg. Deren Vizechef Walter Plassmann bezeichnete die Entscheidung als "Honorarskandal" angesichts der Milliardenüberschüsse der Krankenkassen.

Die Entscheidung werde man nicht hinnehmen, so Plassmann. Betont wollte er Protestmaßnahmen bis hin zum "Streik" nicht ausschließen.

Die insgesamt elf KVen, die sich in den Allianzen FALK und LAVA zusammengeschlossen haben, bewerteten den Beschluss als "verantwortungslos, zynisch und fahrlässig".

Die Honorarerhöhung sei "eine schallende Ohrfeige" für alle niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten. Sie würden jetzt dafür "bestraft", dass sie ihre Patienten rund um die Uhr versorgten.

In Wahrheit, so die KVen, sei die Anpassung des Orientierungswertes eine "Minusrunde", da damit nicht einmal die Inflation ausgeglichen werden könne. "Ärzte sind der billige Jakob", müssten angehende Mediziner angesichts dieses Beschlusses denken, so die Kritik.

"Dreiste Diffamierungskampagne der Kassen"

Ähnlich sieht es auch der Chef der KV Niedersachsen, Mark Barjenbruch: "Unter dem Strich läuft das auf eine verkappte Minusrunde hinaus." Solche Honorarbeschlüsse torpedierten sämtliche Bestrebungen, Nachwuchs auf das Land zu holen.

In Bayern geht die KV angesichts des von den Kassen im Vorfeld der Verhandlungen vorgelegten Prognos-Gutachtens davon aus, dass "selbst ernannte Kassenfürsten (...) mit dreisten Diffamierungskampagnen" versuchten, die Praxen der Niedergelassenen "kaputtzumachen".

Der erweiterte Bewertungsausschuss hatte am Freitag einen vorläufigen Schlussstrich im Streit um die Honorarerhöhung für 2013 gezogen.

Mit Zustimmung des GKV-Spitzenverbandes und der Stimme des unparteiischen Ausschussvorsitzenden Professor Jürgen Wasem hatte das Gremium gegen das Votum der KBV entscheiden.

Aus Protest an dieser Entscheidung hatten die niedergelassenen Ärzte in Mecklenburg-Vorpommern ein Treffen mit Wasem im Rahmen des "Serrahner Kreises" an diesem Wochenende abgesagt.

Im Jahr 2012 soll dem Beschluss zufolge der Orientierungspunktwert und damit die Gesamtvergütung der Vertragsärzte um rund 270 Millionen Euro steigen. Für die Ärzte ergebe sich ein Bruttoplus von durchschnittlich 1800 Euro.

Kritik kam am Freitag auch von dem FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann: "0,9 Prozent sind zu wenig und wohl ein Kniefall vor den Kassen", sagte er. Lindemann hatte die VV am Samstag ebenfalls besucht.

Der Spitzenverband Fachärzte in Deutschland (SpiFa) hat derweil gemeinsam mit dem NAV-Virchowbund eine Koordinierungsstelle für den Protest eingerichtet.

"Wir sind in der Phase der Urabstimmung" für bundesweite Proteste, sagte SpiFa-Vorstand Dr. Andreas Gassen am Freitag. Im SpiFa haben sich zahlreiche ärztliche Berufsverbände zusammengeschlossen.

Verständnis für dieses Vorgehen äußerte am Freitag bereits die Landesärztekammer Hessen: "Ärzte und Patienten lassen sich nicht wie die Lämmer zur Opferbank führen", sagte Kammerpräsident Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach.

"Es rächt sich unweigerlich, wenn die Achtung vor einem Berufsstand und der Leistung der Berufsangehörigen derart mit Füßen getreten wird."

Ärzteverbände greifen Kassen frontal an

Die Verwaltungskosten bei den Krankenkassen hat die Allianz deutscher Ärzteverbände ins Visier genommen, zu der sich rund 30 Gruppierungen zur Vorbereitung von Aktionen gegen die Kassen zusammengeschlossen haben.

15,6 Prozent der Versichertenbeiträge flössen in die Verwaltung der Krankenkassen, heißt es in einer am Samstag verbreiteten Erklärung der der Ärzte-Allianz, die vom NAV-Virchowbund und dem Spitzenverband der Fachärzte koordiniert wird.

Rund 1.000 Kassen seien binnen kurzer Zeit verschwunden, ohne dass dies Auswirkungen auf die Versicherten gehabt habe. Die Erklärung beschreibt erste Aktionen: Kardiologen, Kinderärzte, Gynäkologen, HNO-Ärzte und Pneumologen werden demnach zahlreiche Patienten in Krankenhäuser überweisen, anstatt selbst zu behandeln.

Lesen Sie dazu auch: Der Standpunkt: Warum die Wut verständlich ist Kurz-Interview: So sehen Kassen-Chefs den strittigen Honorar-Beschluss

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Kommentare
Alfred Besand 03.09.201214:29 Uhr

KBV lässt Verhandlung platzen


Es geht doch, warum nicht gleich so !
Die einzige und richtige Entscheidung meine Damen und Herren die auch
von der Basis verstanden wird.
Gesundheitspolitiker Lars Lindemann von der FDP hat den Nagel auf den
Kopf getroffen.

aerzteberatungrlpmainz
Alfred Besand 03.09.2012 zum Beitrag »

Alfred Besand 03.09.201212:18 Uhr

KBV und Gesetzgeber, sind jetzt erst recht, gefragt !

Waren die Weichen richtig gestellt?

Warum haben die Vertreter der KBV die Sitzung des Erweiterten Bewertungsausschusses nicht verlassen, als sich abzeichnete, mit welchen Daten für eine Absenkung der Geamtvergütung durch den Spitzenverband argumentiert wird und es abzusehen war dass der Orientierungspunktwert und damit die Gesamtvergütung der Vertragsärzte im nächsten Jahr nur um 0,9 Prozent steigen soll.

Es war doch vorab schon bekannt in welche Richtung der Zug des Spitzenverbandes fährt und der Zielbahnhof nicht der Versorgungsauftrag ist, sondern das in Auftrag gegebene Gutachten.

Ist es rechtskonform und entspricht es dem Versorgungsauftrag der Kassen, wenn der GKV Spitzenverband Daten zu Grunde legt, die von einem Prognos-Auftragsgutachten ausgehen, ohne z.B. Kostensteigerungen und die Versorgungsdefizite etc. entsprechend zu gewichten. Sich nur auf ein Gutachten im Vorfeld verlässt, was in Fachkreisen als sehr umstritten gilt, dann noch damit zu agieren und die Verhandlungsstrategie daraufhin aufzubauen und sich noch der Stimme des Ausschussvorsitzenden Professor Jürgen Wasem sicher sein kann.

"Beschlüsse des Bewertungsausschusses sowie des Erweiterten Bewertungsausschusses haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einen Doppelcharakter: Gegenüber den unmittelbar Beteiligten (Kassenärztliche Bundesvereinigung; Spitzenverband Bund der Krankenkassen) wirken sie als Verwaltungsakt, den diese gerichtlich (beim Landessozialgericht Berlin und Brandenburg) beklagen können".

Meines Erachtens sollte die KBV jetzt ganz schnell den Klageweg bestreiten und die Fakten auf den Tisch legen, die das Gericht bewegen den Verwaltungsakt aufzuheben.
Des Weiteren das Bundesministerium für Gesundheit um Beanstandung dieses Beschlusses bitten.

"Das Bundesministerium für Gesundheit hat seit der Gesundheitsreform von 2007 die Möglichkeit, Beschlüsse zu beanstanden. Kommen gesetzlich vorgegebene Beschlüsse nicht zustande, kann das Ministerium eine Ersatzvornahme tätigen".

Für den Zug des Spitzenverbandes hätte man vorher schon die Weichen stellen müssen. Warum dies nicht passiert ist können sich viele Ärzte nicht erklären deshalb sollte man jetzt noch alles tun, um den Zielbahnhof, Versorgungsauftrag, anzufahren.

Ein Streik wäre sicherlich nicht der richtige Weg, hier würde sich nur der Spitzenverband der Krankenkassen über das eingesparte Honorar erfreuen und dem Gesetzgeber wieder aufzeigen das die KVen den Sicherstellungsauftrag nicht verdienen.

Morbiditätsbedingte Mehrleistungen, so sieht es das GKV-WSG vor, sind durch die Krankenkassen auch entsprechend zu honorieren. Alleine die 2,7 Milliarden Euro Überschuss bei den Krankenkassen im zweiten Vierteljahr könnten dazu beitragen.

Der Name „Gesundheitskasse“ sollte wieder einmal, auch von dem Spitzenverband der Krankenkassen, mit Leben erfüllt werden zum Wohle der Versicherten und derer die für den Versorgungsauftrag zuständig sind.
Die Monopolmacht des Spitzenverbandes der Kassen, die die Ärzteschaft immer wieder an den Pranger stellt und Ihre Versicherten verunsichert, kann auf Dauer nicht geeignet sein, ein bis dato funktionierendes Gesundheitssystem, weiterhin aufrecht zu erhalten.

Als die Krankenkassen ein Minus zu verzeichnen hatten waren der Gesetzgeber die Ärzteschaft und die Versicherten gefragt und mussten Ihren Beitrag dazu leisten und es richten, jetzt bei einem riesigen Plus entscheidet das Monopol Spitzenverband ganz alleine wär in den Genuss der Überschüsse kommt.

Hier sollte sicherlich dringend Herr Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr auch einschreiten und nicht nur warnen.

Aerzteberatungrlpmainz Alfred Besand 03.09.2012

Dr. Thomas Georg Schätzler 02.09.201200:35 Uhr

Verärgerung, Wut, Zorn und Frustration ...

sind keine guten Ratgeber. Bei juristischen Abwehrkämpfen oder Streiküberlegungen sind "Cool- und Cleverness" gefragt. "Calm down" sagen die US-Amerikaner nicht nur bei drohenden Nuklearkatastrophen im AKW sondern auch in der "Home Security".

Zunächst mal die Fakten: 155.780 Vertrags-Mitglieder als ärztlich und nichtärztlich Selbstständige gibt es in den 17 Kassenärztlichen Vereinigungen Deutschlands (Stand 31.12.2010). Ein Plus von insgesamt 300 Millionen Euro mit einer Orientierungspunktwerterhöhung beim GKV-Praxisumsatz (!) von 0,9 Prozent macht bei 50% Praxiskosten einen durchschnittlich möglichen Praxisgewinn von maximal 962,90 € v o r Steuern, das sind im Schnitt monatlich brutto 80,24 Euro. Vereinfachend habe ich nicht differenziert, dass lt. Kassenangaben auf Vertragsärzte/-innen 270 Mio. € und 30 Mio. € auf die Vertragspsychologen/-Psychotherapeuten entfallen würden.

Zum Vergleich: Die KBV-Forderung nach 3,5 Milliarden Euro mehr Praxisumsatz als Annäherung in Richtung des betriebswirtschaftlichen Punktwertes von 5,1 Cent hätte bei 50% Praxiskosten ein Plus von 936,15 € monatlich v o r Steuern durchschnittlich für jeden Praxissitz ergeben. Das hört sich keineswegs so dramatisch an, wie die "weit über 20.000 Euro Mehreinkommen pro GKV-Praxisinhaber", die Florian Lanz, Pressesprecher des GKV-Spitzenverbands, sowohl im ZDF-"Heute" als auch in der ARD-"Tagesschau" entrüstet als maßlose KBV-Forderung diffamierte.

Reflexartig geäußerte Streikaufforderungen und "Null-Bock" auf GKV-Patientenversorgung nützen allerdings herzlich wenig. Wir schaden nicht nur unseren Patienten, die unversorgt zurückbleiben, sondern auch uns selbst. Denn alle Arbeiten am und mit den Patienten, der Verwaltungs- und Bürokratieaufwand bleiben streikbedingt unerledigt und müssen aufgearbeitet werden.

Was wir brauchen, sind intelligentere Formen unseres Protestes und unseres Widerstands gegen das absurde Umsatzhonorar-Diktat der Gesetzlichen Krankenkassen: Dienst nach SGB-V-Vorschrift, Krankenkassenanfragen bleiben unerledigt (die Honorare dafür verschwinden eh'' im RLV). Oder z. B. das ebenso schlichte wie wahrheitsgemäß ehrliche Ankreuzen "Todesursache ungeklärt" auf j e d e r amtlichen Todesbescheinigung. Mit demonstrativen Ärztestreiks ist im Zusammenhang mit dem Sicherstellungsauftrag, mit den KVen als Körperschaften Öffentlichen Rechts, den partikularen Haus- und Facharztinteressen bzw. den im Widerstreit liegenden freien Ärzteverbänden nicht viel zu gewinnen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dipl.-Med Wolfgang Meyer 01.09.201219:19 Uhr

"Der Fisch stinkt vom Kopf!",

sagt ein norddeutsches Sprichwort. Auch ich sehe einen wesentlichen Grund für die aktuellen Entwicklungen in einer schwachen und vordergründig eigene Interessen vertretenden Führung der Kassenärzte. Wer es über viele Jahre nicht verstanden hat, die Stimmen aller Niedergelassenen zu bündeln, wer immer wieder versucht, Partikularinteressen mal in die eine, dann in die andere Richtung zu bedienen, muß und wird als Gegenüber einer Kassenmacht, die ja die politischen Interessen und Bestrebungen widerspiegelt, scheitern! Eine einige Ärzteschaft ist sowohl im Klinikbereich als auch im
ambulanten Sektor eine Illusion. So werden auch die aktuellen Reaktionen und unnötigen Drohungen in Kürze wieder verpufft sein. Es wird nicht gelingen, die unterschiedlichen Interessen zu befrieden, ohne das gesamte System der medizinischen Versorgung zu hinterfragen und sich an eine wirkliche Reformierung heranzuarbeiten, die diese Bezeichnung auch verdient! Die Patienten sollten auf jeden Fall nicht die Leidtragenden sein, die diese Differenzen auszubaden hätten, auch nicht die spärlich entlohnten Mitarbeiter in unseren Arztpraxen. Es ist,
wie in vielen Bereichen unserer Gesellschaft, an der Zeit, Gerede und Geschwätz endlich durch konstruktives Miteinander zu ersetzen und die politischen Entscheidungsträger zu sinnvollen Veränderungen, gerade auch im Sozialbereich, zu drängen.

Karl-Georg Vaith 01.09.201216:58 Uhr

Die Kostenträger sind sich wieder einmal einig.......

im Gegensatz zu den ärztlichen Fachverbänden, die eigentlich für unsere Interessen eintreten sollten.

"Tempora mutantur, nos et mutamur in illis", da dieser Ausspruch immer mehr verwässert wird,sollten wir den konsequenten Weg einschlagen.

Wir leben in einer Demokratie, folglich haben wir auch das Recht für unsere Interessen zu handeln.

"Si vis pacem , para parabellum" warum sollten keine Praxisschließungen folgen.

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