Neuer Pflegereport
BARMER: Corona führt bei Pflegekassen zu Milliardenbelastungen
Hygieneartikel, Personal, Schnelltests: Die Coronavirus-Pandemie hat die Pflegeversicherung bisher neun Milliarden Euro gekostet, hat die BARMER errechnet. Auf einem Großteil der Kosten blieben die Krankenkassen noch immer sitzen.
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Pflegebedürftige Finanzen: Die Soziale Pflegeversicherung steht vor neuen Reformen.
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Berlin. Die Corona-Krise hat der Sozialen Pflegeversicherung finanziell massiv zugesetzt. Laut dem am Dienstag in Berlin vorgestellten neuen Pflegereport der BARMER schlagen bei den Pflegekassen wegen der Corona-Pandemie bislang Mehrkosten in Höhe von gut neun Milliarden Euro zu Buche.
Laut Studie hatten die bundesweit rund 30.000 ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen einerseits mit Mehrausgaben für Sachmittel sowie Personal, und andererseits mit Mindereinnahmen, bedingt durch nicht belegte Heimplätze, zu kämpfen. Hinzu gesellten sich Ausgaben für Antigen-Tests.
Trotz nachträglicher Steuerzuschüsse blieben die Pflegekassen bislang auf rund 6,4 Milliarden Euro Pandemiekosten sitzen, sagte BARMER-Chef Professor Christoph Straub. Die Soziale Pflegeversicherung sei bei den Ausgaben „in Vorkasse“ gegangen – und das in einer finanziell ohnehin angespannten Lage. Der Bund müsse die offenen Gelder daher „schnell“ an die Kassen erstatten.
Heikle Finanzlage in der Pflegeversicherung
Dicke Sparstrümpfe für die Pflege
Hohe Belastungen für Pflegefachkräfte
Aus dem Report geht auch hervor, dass die Pflegekräfte in den Einrichtungen weiter stark von Corona betroffen sind. Besonders im März und Juli 2022 habe es in der Berufsgruppe deswegen deutlich mehr Krankschreibungen gegeben. Im März wurde demnach mit 158 AU-Bescheinigungen je 10.000 Pflegefachkräfte im Heim die bisherige Spitze an AU-Bescheinigungen seit Beginn der Pandemie erreicht.
Im Vergleich zu März 2021 waren dies 14 Mal so viele Krankmeldungen (11 je 10.000). Im Juli 2022 seien es sogar fast 40 Mal so viele wie im selben Zeitraum ein Jahr zuvor (118 und 3 je 10.000), hieß es.
Auch Pflegebedürftige waren von den Corona-Wellen betroffen. Zu Beginn der Pandemie waren laut Report 50 bis 60 Prozent der „mit COVID-19“ Verstorbenen in stationärer Pflege. „Corona-Maßnahmen werden immer weiter heruntergefahren bis hin zur Aufhebung der Isolationspflicht in einigen Bundesländern. Doch Pflegeheime sind nach wie vor Corona-Hotspots“, gab Straub zu bedenken.
„Heime für neue Corona-Wellen wappnen“
Die Heime müssten „für weitere Corona-Wellen gewappnet sein“, betonte auch der Autor des BARMER-Pflegereports, der Bremer Gesundheitsökonom Professor Heinz Rothgang. Nötig seien „Eventualplanungen“ für den Fall, dass neue Virusvarianten die Oberhand gewönnen, die womöglich erneut schwere Krankheitsverläufe nach sich zögen.
Rothgang betonte, die Ampel habe der Langzeitpflege im Koalitionsvertrag zwar viel Bedeutung zugemessen. Tatsächlich sei aber noch keines der Vorhaben umgesetzt, geschweige denn mit Vorarbeiten versehen. So seien weder die Eigenanteile für Heimbewohner nachhaltig begrenzt worden, noch die Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen herausgenommen oder das Pflegegeld regelhaft dynamisiert worden. Schuldig bleibe die Ampel bislang auch eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige.
„Da es sich bei diesen im Koalitionsvertrag genannten Vorhaben um dringende Weiterentwicklungsbedarfe handelt, kann nur gehofft werden, dass deren Umsetzung im nächsten Jahr schnellstens begonnen wird.“ Ansonsten werde die Zeit bis zum Ende der Legislatur für die notwendige „große Pflegereform“ nicht mehr ausreichen.
Warten auf angekündigte Reformen
Ausweichlich einer der Ärzte Zeitung vorliegenden „Arbeitsplanung“ des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sollen in einer „ersten Stufe“ zum Januar 2023 „kurzfristige Maßnahme zur Sicherung der finanziellen Stabilität der Pflegeversicherung“ greifen – geplant ist, die üblicherweise monatlichen Einzahlungen in den Pflegevorsorgefonds in Form einer Ratenzahlung ans Jahresende zu packen.
Außerdem soll die Regelung zur Erstattung pandemiebedingter Kosten durch den Bund verlängert werden. Ein Änderungsantrag zum Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz sieht vor, die Gültigkeit der Ermächtigung zur Rechtsverordnung des BMG bis Ende 2023 zu strecken.
Verbindliche Personalbemessung
Lauterbach: Machen Ernst mit der Entlastung der Krankenhauspflege
In einer „zweiten Stufe“ zum Juli 2023 soll ein „Pflege-Reformgesetz“ verabschiedet werden, um die Pflegefinanzen weiter zu festigen und Regeln zur Beitragssatzdifferenzierung nach Kinderzahl umzusetzen. In einer „dritten Stufe“ plant das Ministerium von Karl Lauterbach (SPD) „längerfristige Strukturreformen“. Der genaue Zeitplan dafür ist laut BMG-Papier noch festzulegen. (hom/fst)
Studie vorgestellt
DAK: Entlastung bei Pflegebeiträgen aus Steuern finanzieren