Zehntausende in Deutschland betroffen

BÄK fordert weltweite Ächtung von Genitalverstümmelung

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BERLIN. Für die weltweite Ächtung der Genitalverstümmelung hat sich die Bundesärztekammer (BÄK) ausgesprochen. Gleichzeitig weist sie zum 6. Februar, dem "Internationalen Tag gegen Genitalverstümmelung", auf ihre Empfehlungen zum Umgang mit Patienten hin, die dieses Schicksal erlitten haben.

Allein in Deutschland sollen nach Schätzungen der Hilfsorganisation Terre des Femmes insgesamt etwa 58 000 betroffene Frauen und 13 000 gefährdete Mädchen leben. Die Zahl werde durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen vermutlich weiter steigen. Davon geht der Menschenrechtsbeauftragte der BÄK und Präsident der Ärztekammer Baden-Württemberg, Dr. Ulrich Clever, aus.

Die BÄK weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Genitalverstümmelung ein Straftatbestand sei und mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden könne. Eine eventuelle Einwilligung der Patientin in den Eingriff entfalte keine rechtfertigende Wirkung, denn die Tat verstoße trotz der Einwilligung gegen die "guten Sitten" (Paragraf 228 Strafgesetzbuch). Vor allem Eltern drohten im Zusammenhang mit dem Eingriff je nach Tatbeitrag erhebliche strafrechtliche Konsequenzen, warnt die BÄK.

"Die anatomischen und seelischen Folgen von Genitalverstümmelung müssen bei Geburt, Operation sowie Wundversorgung medizinisch und psychotherapeutisch berücksichtigt werden", fordert Clever. Eine kultursensible Beratung und Anamnese sei in den Mittelpunkt der Behandlung zu stellen, ohne jedoch die Aufklärung über die Rechtslage zu vernachlässigen. (chb)

Die Empfehlungen der BÄK

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 06.02.201812:26 Uhr

BÄK, Terre des Femmes und WHO ohne Gender-Neutralität?

Wenn nach Schätzungen der Welt­gesund­heits­organi­sation weltweit rund 200 Millionen Frauen, Jugendliche und weibliche Kinder von Genitalverstümmlung betroffen sind, fehlt die an so vielen anderen Stellen geforderte, gesundheits- und sozialpolitisch begründete Gender-Neutralität.

Denn auch die Beschneidung von männlichen Säuglingen, Kindern und Jugendlichen mit (Teil-)Entfernung der Vorhaut werden vielerorts überwiegend religiös motiviert unisono bei Moslems und Juden z. T. mit archaischen, einfachen Hilfsmitteln oder Rasierklingen durch Laien-Beschneider durchgeführt.

Verwunderlich ist und bleibt eine gender-spezifische, unreflektierte Rechtslage in Deutschland: Die weibliche Genitalver­stümme­lung ist ein Straftatbestand und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Eine eventuelle Einwilligung der Betroffenen bzw. ihrer Erziehungsberechtigten in den Eingriff entfaltet keine rechtfertigende Wirkung. Die Tat verstößt trotz der Einwilligung laut Paragraph 228 des Strafgesetzbuches (§228 StGB) gegen die "guten Sitten". Insbesondere Eltern drohten im Zusammenhang mit dem Eingriff je nach Tatbeitrag erhebliche strafrechtliche Konsequenzen.

Das Korrelat zur weiblichen Genitalverstümmelung, die Vorhautbeschneidung bei eindeutig nicht einwilligungsfähigen männlichen Kindern, ist als jahrtausendealtes, wesentlich kleineres, komplikationsärmeres Ritual nicht grundsätzlich anders zu betrachten.

Dennoch wird hier die Religionsfreiheit der Eltern aus reinen Opportunitätsgründen über das Recht auf Integrität, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit des Kindes gestellt, bzw. von einer Strafverfolgung nach §228 StGB (Verstoß gegen die "guten Sitten") abgesehen.

Der heutige 6. Februar als "Internationaler Tag gegen Genitalverstümmelung" ist und bleibt damit fragwürdig und scheinheilig.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. schätzler, FAfAM Dortmund

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