Nach dem Beschluss im Bundestag

BÄK kritisiert Psychotherapie-Reform

Ärztliche Organisationen und psychotherapeutische Verbände fallen in der Beurteilung der gesetzlichen Reform der Psychotherapeutenausbildung weit auseinander. In der langen Nacht der Gesundheitspolitik hat der Bundestag noch zwei weitere Gesetze beschlossen und eines an den Ausschuss verwiesen.

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Nicht alle sind zufrieden mit der Psychotherapie-Reform: Es fehle die Anbindung an die klinische Praxis durch ein Praktisches Jahr oder ein Praxissemester, moniert etwa BÄK-Vizepräsidentin Dr. Heidrun Gitter.

Nicht alle sind zufrieden mit der Psychotherapie-Reform: Es fehle die Anbindung an die klinische Praxis durch ein Praktisches Jahr oder ein Praxissemester, moniert etwa BÄK-Vizepräsidentin Dr. Heidrun Gitter.

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BERLIN. Der Bundestag hat am in der Nacht auf Freitag die Psychotherapie als eigenständiges universitäres Studienfach etabliert. Start der neuen Ausbildung soll am 1. September 2020 sein. Die Bundesärztekammer sieht damit allerdings die Interessen des Patientenschutzes und der Versorgungsqualität mit der Reform der Psychotherapeutenausbildung nicht gewahrt.

Es fehle die Anbindung an die klinische Praxis durch ein Praktisches Jahr oder ein Praxissemester, monierte BÄK-Vizepräsidentin Dr. Heidrun Gitter. Das Gesetz schaffe es zudem nicht, die unzureichende Vergütungssituation von Absolventen in der postgradualen Qualifikation sicher zu beseitigen.

Kritik an verkürzter Berufsbezeichnung

Die Vorstandsbeauftragte für die Psychotherapie kritisierte zudem die Verkürzung der bisherigen Berufsbezeichnungen Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut auf „Psychotherapeut“. Diese Bezeichnung führten schließlich auch die Fachärzte , die eine ganzheitliche psychotherapeutische Versorgung sicher stellten.

Eine „Spaltung der Psychotherapie“ konstatierte der Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (SpiFa). Mit dem Gesetz spreche der zukünftig approbierten klinischen Psychologen eine umfassende psychotherapeutisch-heilkundliche Tätigkeitsbefugnis aus. Dies geschehe, obwohl Absolventen die Anwendung von Psychotherapie in einer angedachten Weiterbildung erst noch erlernen müssten. Das gefährde die Patientensicherheit. SpiFa-Hauptgeschäftsführer Lars Lindemann wiederholte die Forderung nach einer Verkammerung der Psychologenschaft und der Einrichtung einer Kassenpsychologischen Vereinigung.

Lob für eingearbeitete Verbesserungen

Die Psychotherapeutenschaft hingegen begrüßte die Reform. „Das ist ein bedeutender Schritt für die Psychotherapeuten in Deutschland“, sagte die Vorsitzende des Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) Dipl.-Psych. Barbara Lubisch. In den letzten Wochen des Gesetzgebungsverfahrens habe man noch Verbesserungen erreichen können.

So erhielten auch die jetzigen Psychotherapeuten in Ausbildung (PIA) für die Übergangszeit eine finanzielle Unterstützung. Die soll sich auf 1000 Euro im Monat belaufen, hieß es aus der Koalition. Auch könnten die nach bisherigem Recht ausgebildeten Psychotherapeuten künftig psychiatrische Krankenpflege und Ergotherapie verordnen, führt Lubisch an.

Dass die Koalition mit dem Gesetz auch Regelungen jenseits der Ausbildung angestoßen hat, stößt auf Kritik beim Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp). Als „unverantwortlich“ bezeichnete der bvvp die Aufhebung des gesamten Antrags- und Gutachterverfahrens. Das widerspreche „jeglicher Sorgfaltspflicht“ gegenüber den Patienten.

Kritik an Anreizen für Kurzzeittherapie

Das Gutachterverfahren stelle eine „Vorab-Wirtschaftlichkeitsprüfung“ der Krankenkassen dar. Ohne sie entfalle die erforderliche Sicherheit im therapeutischen Prozess gerade für schwierige und langwierige Therapieprozesse mit instabilen Verläufen.

Die mit dem Gesetz beschlossenen wirtschaftlichen Anreize für die Kurzzeittherapie gegenüber Langzeitbehandlungen gelten einer Reihe von psychoanalytischen Verbänden als tiefgreifende Systemänderung durch die Hintertür. Der Gesetzgeber habe an dieser Stelle getrickst. Wissenschaftliche Grundlagen und Expertenmeinungen seien nicht berücksichtigt worden.

Weitere Beschlüsse im Bundestag

Implantateregister: Mehr Sicherheit für Patienten: Diese Intention hat der Verband der Ersatzkassen (vdek) beim Implantateregister-Errichtungsgesetz betont. „Fehlerhafte Produkte lassen sich leichter erkennen“, sagte die vdek-Chefin Ulrike Elsner. Den schnelleren Zugang zu Innovationen hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) herausgestrichen.

Beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), künftig fusioniert mit dem BfArM, soll eine Registerstelle eingerichtet werden. Dort werden verpflichtend allein Deutschland eingesetzten Implantate aufgenommen. Die Hersteller müssen ihre Produkte in der Produktdatenbank des Registers aufnehmen lassen. Gestartet werden soll mit Hüft- und Kniegelenks-Implantaten.

Mit dem Gesetz werden die Verfahren beschleunigt, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu etablieren. Die Beratungsfrist dafür wird von drei auf zwei Jahre verkürzt. Kommt es bis dahin im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht zu einer Einigung, haben die Unparteiischen Vorsitzenden die Möglichkeit, mit eigenen Vorschlägen das Verfahren abzukürzen. Dieser Weg sei auf Wunsch der GBA-Vorsitzenden eröffnet worden, sagte Karin Maag.

Hebammenausbildung: Entlang der Verantwortung der Hebammen vom Kreißsaal bis zur ambulanten Geburtsvorsorge wissenschaftlich vertiefende Grundlagen zu schaffen, sei ein wichtiges Thema kommentierte die Vorsitzende der AG Gesundheit der Union, Karin Maag, die Reform der Hebammenausbildung. Angehende Hebammen werden laut Neuregelung künftig in einem dualen Studium ausgebildet und können dadurch ein wissenschaftliches Studium mit einer beruflichen Ausbildung verbinden.

MDK-Reform: In den Ausschuss für Gesundheit überwiesen wurde der Entwurf eines „Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen“, das MDK-Reformgesetz. Er sieht vor, den Medizinischen Dienst der Krankenkassen aus den Kassenverbünden herauszulösen und als eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts neu zu installieren.Ziel des geplanten MDK-Reformgesetzes ist es demnach, die Prüfung der Krankenhausabrechnung einheitlicher und transparenter zu gestalten. So sollen laut Bundesregierung strittige Kodier- und Abrechnungsfragen systematisch vermindert werden.

Wir haben diesen Beitrag aktualisiert und ergänzt am 27.9.2019 um 18 Uhr.

Lesen Sie dazu auch: Psychotherapeutenausbildung: Verbände monieren Vorzug der Kurzzeit-Psychotherapie

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