Zwangsbehandlung

BGH unterstreicht maßgebliche Rolle des Arztes

Veröffentlicht:

KARLSRUHE. Die Zwangsbehandlung eines psychisch Kranken darf nur unter der Verantwortung eines Arztes vorgenommen und dokumentiert werden.

Schon die gerichtliche Genehmigung muss einen entsprechenden Hinweis enthalten, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem aktuell veröffentlichten Beschluss entschied. Andernfalls ist die Anordnung der Zwangsbehandlung "insgesamt gesetzeswidrig".

Im Streit stand die Zwangsbehandlung einer an einer paranoiden Schizophrenie erkrankten Frau aus Lübeck. Sie lehnte die Einnahme von Medikamenten ab. Ein psychiatrischer Gutachter hielt daher eine Zwangsbehandlung für erforderlich.

Nur mit entsprechenden Medikamenten könnten die Aggressivität der Frau und ihre wahnhaften Symptome bekämpft werden. Andernfalls drohe die dauerhafte Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung.

Dem schlossen sich auch das Amts- und das Landgericht Lübeck an. Sie genehmigten die Zwangsmaßnahme - allerdings ohne weitere Auflagen.

Der BGH kassierte diese Entscheidungen nun; die Anordnung der Zwangsmedikation sei rechtswidrig. Denn die Gerichte hätten in ihren Beschlüssen nicht darauf hingewiesen, dass die Maßnahme nur "unter der Verantwortung eines Arztes durchzuführen und zu dokumentieren ist".

Dies schreibe das Gesetz so vor. Werde dieser Hinweis versäumt, sei die Genehmigung "insgesamt rechtswidrig". (mwo)

Bundesgerichtshof, Az.: XII ZB 470/14

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Exklusiv Physiotherapeuten & Co.

Warum Heilmittelerbringer auf die Vollakademisierung setzen

Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 11.02.201514:16 Uhr

Freiheitsberaubung setzt immer eine Gefährdung von Mitmenschen voraus.

Das gibt es übrigens auch beim Infektionsschutzgesetz, z.B. Isolierung und die Behandlungspflicht bei offener Tbc.
Nicht jeder Schizophrene ist allgemeingefährlich, und Aggressivität ist kein Schizophreniesymtom.
Allerdings ist die fehlende Einsicht auf die Notwendigkeit einer fraglos wirksamen medikamentösen Behandlung ein nicht seltenes Problem.
Hier ist die Mithilfe der nächsten Angehörige gefragt.
Lieber ein paar Tropfen Haloperidol in die Suppe als eine stigmatisierende Zwangseinweisung.

Der "Justitsskandal" ist dagegen die Freiheitsberaubung ohne Krankheitsdiagnose mit Hilfe falscher forensisch-psychiatrischen Gutachten, eine Realität leider auch in Deutschland.

mfG

Dr. Peter Lorenz 11.02.201511:09 Uhr

Psychiatrische Gutachter

Dr. Peter Lorenz: Es reicht nicht aus, das sattsam bekannte mangelhafte Rechtsempfinden deutscher Amts- und Landgerichte in die Schranken zu weisen und die Verantwortung für grundrechtswidrige Zwangsmaßnahmen Ärzten zuzuweisen. Erforderlich ist die „gutachterliche“ Berücksichtigung der neurowissenschaftlichen Erkenntnis, dass Medikamente nicht als verordnungsfähige Ersatzgehirne dienen können, sowie dass es gar keinen maßgeblichen Test für den Nachweis einer Schizophrenie gibt.

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Vielversprechende Ergebnisse

Neue Strategie zur Tuberkulose-Früherkennung

DGK-Jahrestagung

Präzisionsmedizin: Die Kardiologie ist auf dem Weg

Lesetipps
Dreidimensionale medizinische Illustration von Nierenkrebs, die das Vorhandensein eines Tumors in der Niere zeigt.

© Crystal light / stock.adobe.com

Hinweis aus Registerstudie

Welchen Einfluss NSAR auf das Nierenkrebs-Risiko haben

Eine Frau greift sich mit beiden Händen um den Nacken.

© fizkes / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Leitlinien-Update

Polymyalgia rheumatica: Aktualisierte Empfehlungen sind online

Eine Ärztin tastet den Hals einer Frau zur Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen und Hypothyreose ab.

© Peakstock / stock.adobe.com

US-Review

Wie mit latenter Hypothyreose bei älteren Patienten umgehen?