Freie Fahrt für Klinikkeime?

Berlins ÖGD in der Personalkrise

Die Personalmisere im Öffentlichen Gesundheitsdienst von Berlin spitzt sich zu. In einigen Bereichen ist sogar mehr als jede zweite Arztstelle unbesetzt. Kontrollen gegen Klinikkeime sind kaum noch möglich. Jetzt fordern Poliltiker, den ÖGD in der Ärzteausbildung zu gewichten.

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Eines von zwölf Berliner Gesundheitsämtern: Alle haben mit Personalnot zu kämpfen.

Eines von zwölf Berliner Gesundheitsämtern: Alle haben mit Personalnot zu kämpfen.

© Robert Schlesinger / dpa

BERLIN. Die Personalsituation im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) von Berlin spitzt sich zu. Mehr als die Hälfte aller Arztstellen im Bereich Infektions-, Katastrophenschutz und umweltbezogener Gesundheitsschutz sind unbesetzt. Das geht aus der neuesten Personalstandserhebung des Senats für den ÖGD hervor, die der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Im Fachbereich 2 des Berliner ÖGD, der neben dem Katastrophenschutz auch die Aufsicht über die Krankenhaushygiene und Pandemieplanung umfasst, sind von 28,75 Sollstellen für Ärzte gerade einmal 13,15 besetzt. Das sind weniger als die Hälfte der rechnerisch nötigen Stellen.

"Die Aufgaben sind damit meines Erachtens überhaupt nicht mehr zu erfüllen", sagte der Gesundheitsexperte der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Heiko Thomas der "Ärzte Zeitung". "Wir reden viel über Krankenhauskeime, doch von einer systematischen Krankenhauskontrolle kann man nicht mehr sprechen."

Doch nicht nur Seuchen- und Katastrophenschutz, sondern der gesamte ÖGD in Berlin hat massive Probleme Ärzte zu finden. Im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst sind von 99,8 Arztstellen nur 70,07 besetzt.

"Schuleingangsuntersuchungen finden, wenn überhaupt, dann viel zu spät statt", kritisiert Thomas. Im kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst fehlt fast ein Viertel der rechnerisch nötigen Ärzte und Psychologen (23,64 Prozent).

Auch sozialpsychiatrischer Dienst blutet aus

Ähnlich sieht es im sozialpsychiatrischen Dienst aus. Dort sind 13 von 70 Arztstellen und sechs von 18 Psychologenstellen unbesetzt. In der Beratungsstelle für behinderte Menschen fehlen mehr als sechs der 18 Fachärzte in Vollzeit, die für das Mustergesundheitsamt als nötig errechnet wurden.

Dabei bleiben die Sollzahlen vermutlich noch hinter dem tatsächlichen aktuellen Bedarf zurück. Sie stammen aus dem Jahr 2010. Seitdem sind neue Anforderungen hinzugekommen, wie die Senatsgesundheitsverwaltung in ihrem Basisbericht feststellte.

Insgesamt fehlten zur Jahresmitte 2013 mehr als 315 Vollzeitstellen gegenüber dem Soll. Das ist knapp jede fünfte Stelle. Ein Jahr zuvor waren es laut Basisbericht noch rund 265 Stellen. Betrachtet man allein die Ärzte, sieht die Situation noch schlimmer aus, denn in der Verwaltung bestehen zum Teil Überhänge.

"Die Personalsituation bei den Ärzten ist wirklich katastrophal und sie wird von Jahr zu Jahr schlechter", sagt Thomas. Er hält ein Maßnahmenbündel aus besserer Bezahlung, leichteren Zugängen und flexibleren Arbeitsformen im ÖGD für nötig. "Wir kommen nicht umhin, mehr Geld für die Stellen in die Hand zu nehmen", so Thomas.

ÖGD in Ärzteausbildung integrieren

Im Vorfeld des Ärztetages plädiert er zudem dafür, in der Ärzteausbildung eine Station im ÖGD einzuplanen. "Das ist auch inhaltlich sinnvoll."

Als erfolgreich bewertet er den intensiven Austausch, den das Zentrum für Tuberkulosekranke Menschen des ÖGD mit einem Berliner Krankenhaus pflegt. Das Zentrum ist im Stellenplan der einzige Bereich, in dem eine Arztstelle mehr als laut Plan nötig besetzt ist.

Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) versucht er derzeit mit Öffentlichkeitsarbeit. Im Winter hat er eine Werbebroschüre für die Arbeit als Arzt im ÖGD aufgelegt. Auch er hält Gehaltserhöhungen für nötig. Doch die scheiterten bislang an den Haushaltspolitikern im Senat. (ami)

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