GKV und PKV vereinen
Bertelsmann-Studie erzürnt Ärzte
Ein einheitlicher Krankenversicherungsmarkt sei besser und gerechter, so das Ergebnis einer Bertelsmann-Studie. BÄK-Chef Reinhardt spricht vom „Griff in die ideologische Mottenkiste“. Auch andere Ärztevertreter reagieren gereizt.
Veröffentlicht:Berlin. Die Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Krankenversicherung hat viel Kritik ausgelöst. Lob kam dagegen von Grünen und Linken.
Harsch geht der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, mit den Studienautoren ins Gericht: „Die Auftragsarbeit der Bertelsmann-Stiftung ist ein Griff in die ideologische Mottenkiste und wurde offenbar in Unkenntnis des jüngsten Gutachtens der Wissenschaftlichen Kommission für ein modernes Vergütungssystem der Bundesregierung (KOMV) verfasst.“
Die KOMV habe einer Vereinheitlichung der Systeme einstimmig eine Absage erteilt, so Reinhardt. Stattdessen spreche sie sich für den Erhalt des dualen Krankenversicherungssystems sowie für Reformen bei der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung aus.
Die Bertelsmann-Stiftung solle sich an der Diskussion über praxistaugliche Lösungen beteiligen, statt ideologisch motivierte Debatten von vorgestern zu führen, fordert Reinhardt.
KBV-Chef will Hürden abbauen
Auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, lehnt eine einheitliche Krankenversicherung in Deutschland ab. „Ich bin aber dafür, Hürden zwischen den beiden Versicherungssystemen abzubauen nach dem Motto ‚Das Beste aus zwei Welten zusammenzuführen, um den Versicherten mehr Wahlmöglichkeiten zu bieten‘, sagt Gassen.
Es gäbe viele denkbare Modelle – alle wären für die Patienten seiner Meinung nach besser als eine Bürgerversicherung.
Laut Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) zeige die Veröffentlichung der Studie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des Ergebnisses der KOMV, „dass man in Gütersloh mit allen Mitteln versucht, Politik insbesondere gegen die Ärzteschaft und deren Recht auf eine freie Gebührenordnung zu machen“, so SpiFa-Hauptgeschäftsführer Lars Lindemann.
„Der Bürgerversicherung und damit jeder Form von Einheitsphantasien wurde eine klare Absage erteilt, da helfen jetzt auch keine Nebelkerzen aus dem Hause Bertelsmann“, so Lindemann.
Der KOMV-Bericht habe deutlich bestätigt, dass eine einheitliche Gebührenordnung nicht zuletzt, aus verfassungsrechtlichen Gründen nur in einem sehr eng gesteckten Rahmen möglich wäre.
PKV-Verband spricht von Illusion
Der Verband der Privaten Krankenversicherung bezeichnet die Bertelsmann-Berechnungen als Illusion. Das IGES-Institut hatte im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung errechnet, dass jedes GKV-Mitglied 145 Euro im Jahr sparen könnte, wenn alle Privatversicherten in die GKV einbezogen würden.
Sollten die Honorarverluste der Ärzte ausgeglichen werden (6,4 Milliarden Euro pro Jahr), käme man immer noch auf eine Ersparnis von 48 Euro. In Wirklichkeit sei der Mehrumsatz der PKV, der dem gesamten Gesundheitswesen zu Gute komme mit 13,2 Milliarden Euro jedoch mehr als doppelt so hoch. Denn diese Gelder würden auch an Krankenhäuser, Hebammen oder Physiotherapeuten fließen.
Positiv bewertet die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Maria Klein-Schmeink, die Studie. Die Ergebnisse seien Rückenwind für die Bürgerversicherung.
„Erneut haben wir es schwarz auf weiß: Das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung macht die Krankenversicherung insgesamt teurer. Gesetzlich Versicherte zahlen mehr, weil Gutverdienende nicht in den Solidarausgleich einbezogen werden“, kritisiert Klein-Schmeink.
Ein integriertes Krankenversicherungssystem sei mehr als überfällig. Das sollten auch „die Blockierer in Union und FDP mal einsehen“, fordert die Grünen-Abgeordnete.
Die Linke will andere Einkunftsarten einbeziehen
Die Studie gehe in die richtige Richtung, kommentiert der gesundheitspolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Dr. Achim Kessler, die Veröffentlichung der Bertelsmann-Stiftung. Die Linke wolle darüber hinaus andere Einkunftsarten wie Kapitaleinkünfte einbeziehen und die Beitragsbemessungsgrenze aufheben.
„Dann wären die Beitragssenkungen sogar um ein Vielfaches höher, als vom IGES-Institut berechnet“, meint Kessler.