Prävention
Big Data-Strategie gegen Diabetes
Schon seit 2003 zählt der Kampf gegen Diabetes zu den Nationalen Gesundheitszielen. Auch die große Koalition hat sich diesen Kampf auf die Fahnen geschrieben. Inzwischen hat sie von den ganz großen Plänen Abstand genommen. Zunächst soll eine echte Datengrundlage geschaffen werden.
Veröffentlicht:BERLIN. Rund 4,6 Millionen Menschen unter 80 Jahren in Deutschland haben es schwarz auf weiß.
Bei ihnen wurde ein Diabetes mellitus Typ II diagnostiziert. Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass in dieser Altersgruppe weitere 1,3 Millionen Menschen mit einem unerkannten und unbehandelten Diabetes mellitus leben.
Rechnet man die zunehmende Prävalenz der "Zuckerkrankheit" in der Altersgruppe der über 80-Jährigen dazu, marschieren die Zahlen stramm auf die Sieben-Millionen-Marke zu.
Jede Menge Anlässe also zu handeln, möchte man meinen. Der Start des Nationalen Krebsplans hatte Hoffnungen bei Ärzten und Verbändevertretern geweckt, nach diesem Vorbild lasse sich auch gegen die weitere Verbreitung des Diabetes mellitus Typ II ein koordiniertes Programm aufsetzen.
Nachdem der Diabetes Typ II als ein Schwerpunkt im Präventionsgesetz ausdrücklich genannt wird, sprachen viele sogar schon vom Start einer Nationalen Präventionsstrategie.
Zeitweise geisterte durch die Medien, am Robert Koch Institut solle ein "Nationales Diabetes Zentrum" angesiedelt werden.
Das war Wunschdenken. Es gibt zur Zeit keinen Beschluss des Bundestags für eine Nationale Diabetes-Strategie. Ein Diabetes Zentrum am RKI ist nicht in Planung.
Es gibt in Düsseldorf das Deutsche Diabetes-Zentrum, das der Leibniz Gemeinschaft angehört und in ein Netzwerk von 21 Forschungsinstituten eingebettet ist. Es wird finanziert vom Bundesgesundheitsministerium, dem Bundesforschungsministerium und dem Land Nordrhein-Westfalen.
Kein Zentrum, aber Surveillance
Das bereits 2003 formulierte Gesundheitsziel "Diabetes mellitus Typ 2: Erkrankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und behandeln" enthält ebenfalls keine Empfehlung für eine Diabetes-Strategie.
Gleichwohl erfährt dieses Gesundheitsziel derzeit eine Auffrischung. Das Bundesgesundheitsministerium hat das Robert Koch-Institut mit dem Aufbau eines nationalen Diabetes-Überwachungssystems beauftragt.
Das, so hofft man im Umfeld von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), werde in absehbarer Zeit die unverzichtbare Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen gegen die teure Volkskrankheit bereitstellen können.
Um an den richtigen Stellschrauben zu drehen, fehlt noch eine systematische Aufarbeitung der durchaus in unterschiedlichen Registern vorliegenden Daten - zur Epidemiologie, zu den Spätschäden und zur Versorgungssituation.
Zunächst einmal Daten sammeln
Konkret sollen an das im RKI bestehende Gesundheitsmonitoring weitere Datenquellen angegliedert werden. Dazu können Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, amtliche Statistiken und regionale Register.
Ziel des geplanten Surveillance-Systems sei es, Ärzten, Vertretern von Kostenträgern und Politikern sowie Patientenvertretern und Öffentlichkeit zuverlässige Daten zur Verfügung zu stellen, hat das Ministerium der "Ärzte Zeitung" mitgeteilt.
Aus den geförderten Daten ein Nationales Diabetesregister zu bauen, wird im Gesundheitsministerium als nicht erforderlich erachtet. Die Zusammenführung der Daten beim RKI reiche aus.
Einen besonders reichhaltigen Schatz an Daten lasse sich aus der Dokumentation der Disease Management Programme zu Diabetes Typ I und II heben, hieß es bei einer von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) ausgerichteten Konferenz.
Versorgungskette schlecht organisiert
Deren Teilnehmer plädierten für echte Versorgungsforschung. Die Versorgungskette vom Hausarzt über den Diabetologen bis in die Klinik sei schlecht organisiert, sagte DDG-Geschäftsführer Dietrich Garlichs der "Ärzte Zeitung".
Um hier Verbesserungen zu erzielen, arbeite die DDG gemeinsam mit dem Hausärzteverband an einem Konzept, mit dem sich die Partner um eine Förderung beim Innovationsfonds bewerben wollen. Noch habe sich aber kein Kostenträger gefunden, der das Projekt unterstütze.
Den gesetzlichen Kassen, aber auch den gesetzlichen Rentenversicherern müsste an Forschung zum Thema Diabetes eigentlich gelegen sein. Über alle Sozialversicherungssysteme hinweg verursacht die Volkskrankheit nämlich direkte Kosten von 35 Milliarden Euro im Jahr.