Brustkrebs-Mittel fällt beim GBA durch

Premiere bei der frühen Nutzenbewertung: Zum ersten Mal hat der GBA einem neuen Arzneimittel einen geringeren Nutzen als der Vergleichstherapie attestiert. Damit ist das Brustkrebsmittel durchgefallen - vorerst jedenfalls. Nicht nur die Onkologen kritisieren den Beschluss.

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GBA: Daumen runter für Eribulin.

GBA: Daumen runter für Eribulin.

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BERLIN (af). Erstmals hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) Anhaltspunkte für einen geringeren Nutzen einer Arznei im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie festgestellt.

Es handelt sich um den Wirkstoff Eribulin (Halaven®) zur Behandlung von Brustkrebs in fortgeschrittenen Stadien. Die Anhaltspunkte für den geringeren Nutzen lägen darin, dass es keine Daten zum Vergleich von Eribulin mit anthrazyklin- oder taxanhaltigen Therapien gebe, begründete der unparteiische GBA-Vorsitzende Dr. Rainer Hess die Entscheidung.

Ärzte könnten Halaven® dennoch weiter verordnen, sagte Hess. Hersteller Eisai GmbH plant in den kommenden zwei Jahren eine weitere Studie.

Im Vergleich von Eribulin mit Monotherapien mit Capecitabin oder Vinorelbin bescheinigte der GBA dem Wirkstoff immerhin einen geringen Zusatznutzen.

Vor allem in der letzten Bewertung sieht der Hersteller Eisai eine "teilweise Anerkennung der positiven Ergebnisse" der EMBRACE-Studie*, hieß es in einer Mitteilung.

Kritik von Onkologen

Nach Angaben des Herstellers habe das Zytostatikum in der Studie das Gesamtüberleben von bereits vortherapierten Frauen mit Brustkrebs signifikant verlängert.

So begrüßte Eisai-Onkologie-Chef Frank Zeymer denn auch die jetztige Bestätigung des Zusatznutzens gegenüber Monotherapien. Kritisch bewertete Zeymer hingegen, dass der GBA die Studienkohorte in zwei separate Patientengruppen aufgeteilt hat.

Erst dadurch sei es zu der negativen Bewertung von Eribulin im Vergleich mit anthrazyklin- oder taxanhaltigen Therapien gekommen, so Zeymer.

"Wir haben dargelegt, dass Eribulin derzeit der einzige Wirkstoff ist, für den eine relevante Verlängerung des Überlebens für betroffene Patientinnen nach Versagen einer Taxan- und Anthrazyklin-Therapie nachgewiesen werden konnte", so Zeymer weiter.

Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) kritisierte am Freitag, dass der GBA zu neuen Krebstherapeutika "uneinheitlich und nicht transparent" entscheide.

"In die Begutachtung muss mehr ärztliche Kompetenz einfließen", sagte DGHO-Chef Professor Gerhard Ehninger. Er forderte "mehr Evidenz und Erfahrung statt Dominanz der Technokratie".

Ehninger: Mangel an ärztlicher Kompetenz

Wie die zuvor vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des GBA begutachteten Krebsarzneien Cabazitaxel und Abirateron (Prostatakrebs) erweitere Eribulin das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten, erklärte Professor Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie.

Die DGHO kritisiert, dass die Bewertungsstandards des GBA für die neuen Krebsmedikamente nicht einheitlich seien.

Zur Abwertung von Cabazitaxel und Eribulin hätten unter anderem mögliche Nebenwirkungen geführt, die aber von erfahrenen Ärzten gut beherrscht werden könnten. Den Begutachtungen mangele es an "ärztlicher Kompetenz", sagte DGHO-Chef Professor Gerhard Ehninger.

Bei der mikrobiellen Collagenase aus Clostridium histolyticum (Xiapex®) zur Behandlung der Dupuytren'schen Kontraktur gilt nach einem Beschluss des GBA vom Donnerstag ein Nutzen gegenüber einer "zweckmäßigen Vergleichstherapie" als nicht belegt.

Erstmals musste sich damit ein Medikament in der frühen Nutzenbewertung nichtmedikamentösen Verfahren stellen. Diese besonderen Herausforderungen seien in dem Beschluss nicht berücksichtigt, reagierte Pfizer.

Patientenvertreter protestieren

Die Alternative einer medikamentösen Behandlung mit Xiapex® statt einer Operation könne für viele Partienten einen Zusatznutzen bedeuten. Dazu will der GBA mehr wissen.

Er befürworte ausdrücklich die Planung, Durchführung und Auswertung von Studien zur Beurteilung des Langzeitverlaufs der Erkrankung nach operativer beziehungsweise medikamentöser Behandlung, sagte GBA-Vorsitzender Rainer Hess.

In einem dritten Fall ist der Unterausschuss "Arzneimittel" zu der Auffassung gelangt, dass die Darreichungsformen Filmtabletten, Schmelztabletten, Tabletten und überzogene Tabletten mit dem Wirkstoff Olanzapin (Zyprexa®, Generika) therapeutisch vergleichbar seien.

Ausgesetzt hat der GBA ein Verfahren zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung. Der Auftrag an das Göttinger Aqua-Instituts zur Qualitätssicherung von Wundinfektionen soll nachgebessert werden, weil bislang nur 0,5 Prozent der geschätzt 225.000 nosokomialen Infektionen im Jahr davon erfasst würden.

Weil das Thema nichtöffentlich verhandelt wurde, verließen die Patientenvertreter am Donnerstag unter Protest die Sitzung.

* Eisai Metastatic Breast Cancer Study Assessing Treatment of Physician's Choice [TPC] Versus Eribulin E738

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Kommentare
Dr. Dr. Winfried Miller 22.04.201212:16 Uhr

Eribulin und Lebensqualität

In der Studie, die zur Zulassung dieser Substanz geführt hat, lebten die Brustkrebspatientinnen bei ausschließlicher Therapie mit Eribulin durchschnittlich 13,2 Monate länger, die Patientinnen, die dagegen eine bisher übliche (konventionelle) Chemotherapie erhalten hatten, durchschnittlich 10,6 Monate länger.

Nach einem Jahr lebten noch 55% der Brustkrebs-Patientinnen in der Erbulin-Gruppe und 43% der Patientinnen in der konventionellen Therapie-Gruppe. Das Fortschreiten der Tumorerkrankung (Progression) konnte durch die Substanz Eribulin lediglich ansatzweise gebremst werden (statistisch nicht verwertbar).

Bisher bekannte Nebenwirkungen von Eribulin?
Zahlreiche Nebenwirkungen (Anzahl: 67), die „häufig“, d.h. bei bis zu 10% der Patientinnen bzw. „sehr häufig“, bei über 10% der Patientinnen auftraten, sind bei Eribulin in der Fachinformation des auf dem Markt befindlichen Präparates aufgelistet.

Fazit
Möge jede Patientin, in Kenntnis der Nebenwirkungen (vorausgesetzt, die Onkologen klären darüber umfassend/schriftlich auf), selber entscheiden, ob der statistisch berechnete Mehrgewinn an Lebenszeit angesichts dieser häufig bis sehr häufig auftretenden Nebenwirkungen und der damit verbundenen erheblichen Minderung der Lebensqualität, die Therapie mit dieser neuen Substanz rechtfertig.

Meine persönliche Meinung
Ich kann den Nutzen/Vorteil von Eribulin, im Vergleich zu bereits vorhandenen Substanzen (die auch nicht viel an Überlebenszeitvorteil bringen, dafür aber günstig er sind), bisher nicht erkennen. Anscheinend sind für die Zulassungsbehörden wichtige Parameter wie Lebensqualität unter einer Chemotherapie nicht so entscheidend wie lediglich statistischer „Mehrgewinn an Überlebenszeit“.

Manuel Rupprecht 20.04.201217:20 Uhr

Erest lesen, dann schreiben...

Liebe Ärzte-Zeitungs-Redaktion,

es ist sehr überraschend, was man Ihrem Bericht entnehmen müsste, würde man die zugrundeliegende Entscheidung des G-BA nicht in Gänze kennen. Hätten Sie das G-BA-Gutachten vollständig gelesen, hätten Sie, dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit nach, nicht den Themenschwerpunkt in Ihrer Berichterstattung gewählt.

Richtig ist in Ihrem Bericht zunächst, dass Eribulin nach Bewertung des G-BA keinen Zusatznutzen bei Patientinnen, die erneut für eine Anthrazyklin- und Taxanbehandlung in Frage kommen, attestiert bekommen hat.

Hingegen verkennen Sie vollkommen das Interessante an dieser Entscheidung bzgl. der anderen Subgruppe. Der G-BA ist in seiner Entscheidung hinsichtlich der Patientinnen, die für eine Anthrayklin- und Taxanbehandlung nicht mehr in Frage kommen, zu einem anderen Ergebnis gekommen als das IQWIG. In dieser Subgruppe erkennt der G-BA einen - wenn auch nur - geringen Zusatznutzen an, was das IQWIG noch verneinte.

Diesen durchaus nicht uninteressanten Teil hätte man aus sachlogischen Gründen in dem Bericht schon erwähnen sollen.

Hochachtungsvoll

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