Folgen der Pandemie
Bürgerrat zur Corona-Aufarbeitung? FDP sieht SPD-Vorstoß kritisch
Aus der SPD kommt der Vorschlag, einen Bürgerrat einzusetzen, um die Corona-Pandemie aufzuarbeiten. FDP-Politiker reagieren zurückhaltend – sie setzen weiter auf eine Enquete-Kommission.
Veröffentlicht:Berlin. Wie drei Jahre Pandemie aufarbeiten? In der Ampel wird weiter um den richtigen Umgang mit der Corona-Krise und den gesellschaftspolitischen Schlussfolgerungen daraus gerungen. Die Viruserkrankung hatte Deutschland und sein Gesundheitswesen von Anfang 2020 bis etwa Ende 2022 in Atem gehalten.
„Ich sehe keinen Vorteil in einem Bürgerrat mit einer anschließenden Kommission gegenüber einer Enquete-Kommission“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Professor Andrew Ullmann, der Ärzte Zeitung am Mittwoch. Ullmann reagierte damit auf einen Vorstoß aus der SPD-Fraktion.
Erfahrungen aus der Pandemie sammeln
Fraktionschef Rolf Mützenich hatte Anfang der Woche die Einsetzung eines Bürgerrats und einer Kommission mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung zur Aufarbeitung der Pandemie ins Gespräch gebracht.
In dem Bürgerrat sollten zunächst zufällig ausgewählte Menschen aller Altersklassen und aus unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen ihre Erfahrungen mit der Pandemie schildern und daraus Empfehlungen für die Zukunft entwickeln, hatte Mützenich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärt. Der erste Bürgerrat in Deutschland überhaupt hatte kürzlich Empfehlungen zum Thema Ernährung vorgelegt.
Ullmann betonte, die Verantwortung für die Corona-Pandemie liege in der Bundespolitik. „Deshalb muss die Bundespolitik auch bei der Aufarbeitung und Formulierung von Schlussfolgerungen federführend sein.“ Gleichwohl nehme er positiv zur Kenntnis, „dass offenbar auch in der SPD jetzt der Wille da ist, dem immensen öffentlichen Bedürfnis nach einer wissenschaftlich-politischen Aufarbeitung nachzukommen“.
Caritas: Spuren der Pandemie tief eingraviert
Kirchliche Sozialverbände riefen die Politik unterdessen dazu auf, die nötigen Schlüsse aus der Corona-Krise zu ziehen. „Ein öffentlicher Wettstreit, wer die meisten Fehler findet, hilft dabei nicht, noch viel weniger eine Kultur des An-den-Pranger-Stellens“, sagte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, am Mittwoch.
Die Spuren der Pandemie seien „tief in der Gesellschaft eingraviert“. Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen hätten sich verdoppelt, Mitarbeitende in den rund 120.000 Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege seien nachhaltig erschöpft und bei den Bürgern sei die Skepsis gegenüber politischen Entscheidungen gewachsen.
Ein Trugschluss sei, dass Corona vorbei sei. In den Krankenhäusern der Caritas würden nach wie vor Infizierte behandelt, in den Reha-Einrichtungen Menschen nach Infektionen beziehungsweise mit Long-COVID betreut. (hom)