Raucherparadies Deutschland?
Bundesregierung verteidigt Kurs in der Tabakprävention
Egal, ob Aktiv- oder Passivrauchen: Die Bundesregierung sieht Deutschland auf Kurs, wenn es darum geht, die Rauchprävalenz bis 2030 zunächst auf 19 Prozent zu senken – doch es hagelt Kritik.
Veröffentlicht:Berlin. Der Tabakkonsum stellt nach wie vor das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko dar. In Deutschland ist etwa jede fünfte Krebsneuerkrankung eine Folge des Rauchens. Die Verbesserung des Nichtraucherschutzes ist der Bundesregierung daher ein großes Anliegen. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervor.
Wie die Bundesregierung darin klarstellt, habe sie sich in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie zum Tabakkonsum das Ziel gesetzt, den Anteil der Raucherinnen und Raucher bei Jugendlichen bis zum Jahr 2030 auf sieben Prozent und bei allen Menschen in Deutschland ab 15 Jahren auf 19 Prozent zu senken. „Nach derzeitigem Stand können diese Ziele erreicht werden“, so die Einschätzung der Bundesregierung.
Sie verweist darauf, dass sich auch die Europäische Kommission mit dem im Februar verabschiedeten Europäischen Krebsplan das Ziel gesetzt habe, den Tabakkonsum auf weniger als fünf Prozent der Bevölkerung bis zum Jahr 2040 zu reduzieren. „Die im Strategiepapier des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) vorgeschlagenen Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels werden derzeit von der Bundesregierung geprüft“, heißt es in der Antwort.
„Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040“
Im Mai hatten 50 zivilgesellschaftliche Organisationen unter Federführung des DKFZ eine umfassende „Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040“ vorgestellt. Darin fordern sie eine konsequente Neuausrichtung der Tabakpolitik an den Gesundheitsinteressen und Menschenrechten der Bevölkerung.
Zu den zehn zentralen Forderungen gehört ein wirksamer Schutz vor Passivrauchen mithilfe eines einheitlichen und umfassenden Nichtraucherschutzes – insbesondere die Gastronomie und den Arbeitsplatz betreffend – sowie eine verbesserte Unterstützung von aufhörwilligen Menschen durch niedrigschwellige und kostenfreie Angebote zur Tabakentwöhnung.
Die Bundesregierung adressiert mit ihrer Anti-Raucher-Strategie explizit auch die Opfer des Passivrauchens. „Die durch das Passivrauchen hervorgerufenen gesundheitlichen Schädigungen entsprechen weitestgehend denen durch das aktive Rauchen. Ziel der Bundesregierung ist es deshalb, sowohl die Raucherprävalenzen insgesamt zu senken, als auch einen möglichst weitgehenden Schutz vor den Belastungen des Passivrauchens zu erreichen.
Neben den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder tragen dazu ganz wesentlich auch Aufklärungsmaßnahmen, etwa im Rahmen der „rauchfrei“-Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bei“, heißt es in der Antwort an die Linke.
Gesetze sollen Wirkung zeigen
Flankiert wird dies mit dem Hinweis auf mehrere Gesetze zur Eindämmung des Rauchgeschehens in Deutschland. So habe die Bundesregierung im Herbst vergangenen Jahres mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes ein weitgehendes Verbot der Tabakaußenwerbung eingeführt, in das auch E-Zigaretten und Tabakerhitzer mit einbezogen sind und das nun stufenweise umgesetzt werde. Zugleich seien zum Zweck des Gesundheits- und Verbraucherschutzes nikotinfreie Nachfüllbehälter in die bestehende Regulierung der E-Zigaretten einbezogen.
Mit dem Tabaksteuermodernisierungsgesetz wurde im Juni 2021 zudem eine Erhöhung der Tabaksteuer beschlossen. Dafür bekam die Bundesregierung heftigen Gegenwind von Wissenschaftlern aus der Harm-Reduction-Szene um Professor Heino Stöver, Direktor des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, aus deren Sicht Deutschland mit dem falschen Instrumentenkasten die vollkommen falschen Signale setzt, wenn es darum geht, das Land bis 2040 rauchfrei zu bekommen.
Ärzte äußern Bedenken am Kurs
Zudem verweist die Bundesregierung auf die mit der im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz vom 11. Juli 2021 vorgesehene Änderung des SGB V hinsichtlich der Übernahme von Arzneimittelkosten für die Tabakentwöhnung durch die gesetzliche Krankenversicherung.
Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, haben alle drei Jahre einen Anspruch auf eine Übernahme dieser Kosten, wenn sie an einem evidenzbasierten Programm zur Raucherentwöhnung teilnehmen.
Auch hier ziehen Ärzte die Sinnhaftigkeit eines solchen Angebotes in Zweifel. Wie Dr. Tobias Rüther, an der Spezialambulanz für Tabakabhängigkeit des Klinikums der Universität München als Oberarzt und Privatdozent tätig, im Mai im Bundestags-Finanzausschuss zum Tabaksteuermodernisierungsgesetz gesagt hatte, bedürften Raucher in der Regel sieben bis acht Rauchstopp-Versuche, ehe ein Erfolg zu verzeichnen sei.