Bundestag beschließt Ärzte-Motivation

Nach monatelangem Streit war die Luft raus: Der Bundestag hat am Donnerstag nach einer lauen Debatte über die ärztliche Versorgung im Land das Versorgungsgesetz verabschiedet. Die Opposition geißelt die Reform als Ärzteversorgung und KV-Stärkung.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
SPD-Politiker Lauterbach: "Sie haben ein Ärztegesetz und Stärkungsgesetz der KVen vorgelegt."

SPD-Politiker Lauterbach: "Sie haben ein Ärztegesetz und Stärkungsgesetz der KVen vorgelegt."

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Gesundheitsminister Bahr: "Patienten werden nicht besser versorgt, wenn der Arzt demotiviert ist."

Gesundheitsminister Bahr: "Patienten werden nicht besser versorgt, wenn der Arzt demotiviert ist."

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BERLIN. Kaum hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert am Donnerstagvormittag die letzte Aussprache über das "Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung", kurz Versorgungsstrukturgesetz, freigegeben, da lieferte der erste Redner, Heinz Lanfermann, der Opposition eine Steilvorlage.

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Faktion appellierte an die Länder, mehr Studienplätze für angehende Mediziner zu schaffen.

"Jeder Kampf gegen den Ärztemangel beginnt an den Universitäten", rief Lanfermann in das überwiegend von Gesundheitspolitikern dünn besetzte Plenum.

Auf diese Aussage hätten die Vertreter der Opposition wacker dreinschlagen können. Denn die Medizinerausbildung stand nur in frühen Fassungen des Gesetzentwurfs und wurde dann stillschweigend entsorgt, um keine Zustimmungspflicht durch die Länder auszulösen.

"Ärzteversorgung" und "KV-Stärkung"

Die Sprecher von SPD, Linken und Grünen verwandelten die Vorlage nicht. Sie hatten aber auch so genug Stoff, um zu begründen, warum sie gegen das Gesetz stimmen würden.

Ein "Ärzteversorgungsgesetz und Stärkungsgesetz der Kassenärztlichen Vereinigungen" nannte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Professor Karl Lauterbach das kleinteilige Paragrafenwerk.

Die Ärzte erhielten mehr Geld, die KVen die Hoheit über die Honorarverteilung. "Die bestehende Fehlversorgung bleibt bestehen", wetterte Lauterbach.

Nicht nur die Anreize, mit denen Ärzte aufs Land gelockt werden sollen, auch die ambulante spezialärztliche Versorgung fand Kritik. Der neue Sektor sorge für weniger Hausärzte, prognostizierte Lauterbach.

Versorgung nicht gegen die Ärzte

Vor allem die onkologische Versorgung sei dann für junge Ärzte attraktiv, weil sie als Niedergelassene in der spezialfachärztlichen Versorgung alleine genauso bezahlt würden, "als hätten in der Klinik ein Chefarzt, die Oberärzte und die Assistenten einen Patienten gemeinsam behandelt", sagte Lauterbach kurz nach der Abstimmung.

Darin, dass sich niedergelassene Ärzte unter Umständen besser stellen, vermochte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nichts Schlimmes entdecken. "Hören Sie auf zu glauben, der Patient wird besser versorgt, wenn der Arzt demotiviert ist", verteidigte Bahr die Anreize.

"Wir haben Unter-, Über- und Fehlversorgung", sagte Bahr. Mit den Anreizen für Ärzte und der Flexibilisierung der Bedarfsplanung habe die Regierung Antworten auf den Wandel der Profession gefunden. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf komme vor allem angehenden Ärztinnen entgegen.

Gegen die Ärzte ließe sich keine Versorgung organisieren, unterstützte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, den Minister.

"Sie können kein Versorgungsgesetz gegen die Ärzte machen", verteidigte er sich gegen den Vorwurf, mit den neuen Verdienstmöglichkeiten für Ärzte Klientelpolitik zu betreiben.

Kein Widerstand im Bundesrat?

"Wo kein Arzt ist, da gibt es bald auch keine Apotheke und keinen Physiotherapeuten mehr", warnte Spahn vor den Konsequenzen des Ärztemangels.

Der Regierung habe der Mut gefehlt, die Bedarfsplanung vom Kopf auf die Füße zu stellen, monierte hingegen die Linken-Politikerin Martina Bunge. Noch wisse niemand, wie viele Ärzte wo gebraucht würden.

Das Gesetz sei ein negatives Signal an Kliniken in strukturschwachen Regionen. Die Regierung habe versäumt, eine sektorübergreifende Versorgungsplanung anzustoßen, sagte Grünen-Sprecher Harald Terpe.

Viele Debattenbeiträge vermittelten, dass der Kampf gegen den Ärztemangel erst am Anfang stehe. Und die Universitäten sind ja noch nicht einmal mit im Spiel.

Das Gesetz soll am 1. Januar 2012 in Kraft treten. Zuvor berät noch der Bundesrat. Trotz Widerständen werde dieser das Gesetz nicht kippen, verlautet von der Opposition.

"Länder haben mehr Gestaltungsspielraum"

Lange Zeit standen die Bundesländer einigen Teilen des Versorgungsstrukturgesetzes kritisch gegenüber. Vor allem die spezialfachärztliche Versorgung stand lange in der Kritik. Hier ist der Bund auf die Länder zugegangen. "Wir begrüßen, dass ein großer Teil der Forderungen der Länder in dem Gesetz enthalten ist und die Länder dadurch mehr Gestaltungsspielraum haben", sagte Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU), der in diesem Jahr der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) vorsitzt, der "Ärzte Zeitung". Grüttner spielt bei der Umsetzung den Ball in Richtung Selbstverwaltung: "Jetzt kommt es darauf an, dass die Selbstverwaltung bereit ist, die anstehenden Versorgungsprobleme zusammen mit den Ländern zu lösen", so Grüttner. (bee)

Lesen Sie dazu auch: Die Debatte im Bundestag zum Nachlesen Der Standpunkt: Ein Gesetz der Möglichkeiten Reaktionen - SPD-Länder wollen Ärztegesetz ablehnen Reaktionen - KBV: "Politik verlässt den Weg der Kostendämpfung" Reaktionen - BPtK: "Präzise Bedarfsplanung für Psychotherapeuten" Reaktionen - Hausärzteverband sieht verpasste Chancen

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