Nutzenbewertung
Bundestag lehnt Senkung der Standards ab
Die EU will die Nutzenbewertung von Arzneimitteln harmonisieren. Die deutschen Parlamentarier sind geschlossen dagegen.
Veröffentlicht:BERLIN. Eine verpflichtende EU-weite Harmonisierung der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel haben am Donnerstag alle Fraktionen des Bundestages einstimmig abgelehnt. Der EU-Vorschlag greife in die rechtlich geschützte Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik ein. Gleiches gelte für die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung. Damit werde die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes verletzt, es bestehe bei der Umsetzung des Vorschlags der Europäischen Kommission grundsätzlich die Gefahr, dass dies zur Abwertung von Standards der Nutzenbewertung in Deutschland führe, heißt es in einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.
Thema bleibt weiter aktuell
Dies sei ein Eingriff in das bewährte AMNOG-Verfahren von Arzneimitteln. Eine zentralisierte Bewertung könne den unterschiedlich ausgelegten Gesundheitssystemen der Mitgliedstaaten nicht gerecht werden. Die Linke hatte gemeinsam mit den Grünen einen gleichlautenden Antrag eingebracht, die AfD-Fraktion unterstützt das Anliegen der anderen Fraktionen ebenfalls.
Die europaweite Harmonisierung der Nutzenbewertung von Arzneimitteln und bestimmter Medizinprodukte scheint damit aber noch nicht vom Tisch zu sein. Der arzneipolitische Sprecher der Unionsfraktion Michael Hennrich (CDU) hatte bereits im Vorfeld der Bundestagssitzung bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) angedeutet, dass man trotz der Rüge an die EU-Kommission neue Gespräche mit der Europäischen Union über einen Harmonisierungsprozess der Nutzenbewertung aufnehmen wolle. Die EU-Kommission strebt mit ihrer Initiative ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes für Gesundheitstechnologien an.
Kurioses Abstimmungsergebnis
Die Parlamentarier halten das Vorhaben der EU dagegen nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für vereinbar. Eine derart umfassende Harmonisierung mit verpflichtender Übernahme der gemeinsam erstellten klinischen Bewertungen sei sehr weitgehend. Es bestehen "Bedenken, ob die angestrebten Ziele der Vermeidung von Doppelarbeit und ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes durch den Abbau administrativer Hürden für Hersteller von Gesundheitstechnologien nicht auch über freiwillige Kooperationen auf EU-Ebene erreicht werden können", heißt es weiter.
Das Abstimmungsergebnis ist kurios. Während alle Abgeordneten dem Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen zustimmten, lehnten Union, SPD und FDP den gleichlautenden Antrag von Linken und Grünen ab. (chb/af)