Pandemie
Bundestag verlängert epidemische Lage um weitere drei Monate
Das Parlament hat am späten Mittwochnachmittag die nochmalige Verlängerung der epidemischen Lage wegen der Corona-Pandemie beschlossen. Auch ein neuer Pandemie-Parameter soll greifen. Aus der Opposition hatte es zuvor teils scharfe Kritik gehagelt.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Der Bundestag hat am späten Mittwochabend die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite um drei weitere Monate beschlossen. Für einen entsprechenden Antrag der Regierungsfraktionen von Union und SPD stimmten 325 Abgeordnete. Dagegen votierten 253 Parlamentarier, fünf enthielten sich der Stimme.
Vertreter von Union und SPD betonten in der teilweise hitzig geführten Aussprache, die Pandemie sei noch nicht vorbei. Die Verlängerung der epidemischen Lage diene auch und vor allem dem Ziel, eine Überlastung des Gesundheitssystems weiterhin zu vermeiden.
Oppositionspolitiker hatten sich zuvor vehement gegen eine Fortdauer der epidemischen Lage ausgesprochen. „Die Verlängerung der epidemischen Lage ist seit über einem Jahr unsinnig und demokratiefeindlich“, sagte der FDP-Gesundheitspolitiker und Infektiologe Professor Andrew Ullmann der „Ärzte Zeitung“ am Mittwoch.
Die Sonderlage sei anfangs mit einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems begründet worden, so Ullmann. Zu Beginn der Pandemie sei zudem unklar gewesen, ob die Parlamente „voll handlungsfähig bleiben“.
Daher sei die Bundesregierung zum Erlass von Corona-Verordnungen „ermächtigt“ worden. „Die Parlamente sind aber voll handlungsfähig, und das Parlament ist das demokratische Entscheidungs- und Debattenzentrum“, betonte der FDP-Politiker.
FDP: Unsinnig und demokratiefeindlich
Erstmals beschlossen hatte der Bundestag die epidemische Lage Ende im März 2020. Zuletzt verlängert wurde sie im Juni 2021. Mit dem Beschluss des Bundestags, die epidemische Lage erneut zu verlängern, hat die Bundesregierung weiter das Recht, ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat Corona-Verordnungen zu erlassen – etwa Tests oder Impfungen betreffend.
Nach Paragraf 28a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) können Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie unabhängig von der Feststellung einer epidemischen Lage nationaler Tragweite beschlossen werden – dies allerdings auf Länderebene und sofern es einen Beschluss des jeweiligen Landtags dazu gibt.
Neuer Pandemie-Parameter
Die Bundesregierung wird mit dem Beschluss des Bundestags zudem aufgefordert, in Kürze eine Formulierungshilfe für die Abkehr von der Sieben-Tage-Inzidenz zur Einschätzung der aktuellen Corona-Lage vorzulegen. Aufgrund des Impffortschritts könne die Inzidenz nicht mehr zentraler Maßstab sein. Künftig sollen sich die Schutzvorkehrungen deshalb auch an der COVID-19-Hospitalisierungsrate ausrichten.
Die Bundesregierung soll zudem über ihre Erkenntnisse zu den Langzeitfolgen einer Erkrankung infolge des Coronavirus berichten und darüber, welche Initiativen daraus für die Bewältigung der Pandemie abzuleiten sind. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar rief Gesundheitsminister Spahn und Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) auf, hier Tempo zu machen.
Grüne setzen auf Übergangsregelung
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, hatte zuvor eine unveränderte Verlängerung der epidemischen Lage als falsch. Die Pandemie sei zwar noch nicht vorüber, sagte sie dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ am Mittwoch. Dennoch sei durch die Impfstoffe die Lage anders als im Winter 2020. Es brauche daher eine Regelung, die der neuen Situation gerecht werde und der Zahl der Geimpften Rechnung trage. „Kein Weiter-so.“
Der Grünen-Gesundheitspolitiker und Arzt Dr. Janosch Dahmen hatte erklärte, die Grenzwerte der Inzidenz hätten sich zwar als Indikator verändert, aber sie direkt aus dem Gesetz zu streichen, sei „schlichtweg fahrlässig“. Die Inzidenz bleibe ein wichtiger Indikator zur Einschätzung der Infektionsdynamik.
Die Grünen hatten dazu einen eigenen Antrag im Bundestag eingebracht. Darin sprechen sie sich für eine „Übergangsregelung zum verantwortungsvollen Ausstieg aus dem Pandemie-Sonderrecht“ aus. Die AfD-Fraktion wiederum wollte die epidemische Lage „sofort aufheben“.
Rüddel: Länder wollen Fortgang
Der Vorsitzende des Bundestags-Gesundheitsausschusses Erwin Rüddel hatte am Mittwochmorgen erklärt, nach seinem Dafürhalten hätte die epidemische Lage auslaufen können. Aber es sei ausdrücklicher Wunsch aller 16 Bundesländer, den Beschluss nochmals zu verlängern, sagte der CDU-Politiker im „Deutschlandfunk“.
Entscheidend für seine Zustimmung sei, dass die Lagebewertung nicht mehr an den Inzidenzwert gekoppelt sei, sondern der Hospitalisierungsrate eine wichtige Rolle zukomme, sagte Rüddel. Damit sei die Rückkehr zu einer gewissen Normalität möglich. (hom)