Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2021
COVID-19 und Kinder – die Bilanz der Pädiater
Auf dem Kinder- und Jugendärztekongress beschäftigen sich die Pädiater mit den Auswirkungen der Pandemie auf ihre Patienten. Ein STIKO-Mitglied verteidigte währenddessen die Impfempfehlung für Kinder.
Veröffentlicht:Berlin. Vor der Corona-Pandemie Anfang 2020 war jedes fünfte Kind in Deutschland psychisch auffällig. Nach dem zweiten Lockdown Anfang 2021 gilt bereits jedes dritte Kinder als psychisch belastet. Besonders betroffen sind Kinder mit Migrationsgeschichte, niedrigem Bildungsniveau, aus beengten Lebensräumen sowie Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen.
Dies ist das Fazit von Anne Kaman, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf, die an der ersten bundesweiten Studie zu pandemiebedingten Auswirkungen der seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Copsy-Studie) beteiligt war. Kaman präsentierte am Donnerstag zum Auftakt des bundesweiten Kongresses für Kinder- und Jugendmedizin neue Ergebnisse von sechs großen wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Pädiatrie in Berlin.
Aufschlussreiche Copsy-Studie
An der Studie hatten in der ersten Welle im Mai und Juni 2020 rund 1500 Eltern sowie 1000 Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren und in der zweiten Welle im Januar 2021 noch einmal 1625 Eltern sowie 1077 Kinder teilgenommen. Dabei stellte sich heraus, dass insbesondere generalisierende Ängste nach der zweiten Welle (30 Prozent) im Vergleich zur ersten Welle (24 Prozent) und im Vergleich zu Zeiten vor der Pandemie (15 Prozent) signifikant häufiger auftreten. Und auch die Lebensqualität der Kinder hat sich im Laufe der Pandemie für sieben von zehn Kindern (vor der Pandemie drei von zehn Kindern) deutlich verschlechtert.
Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass sich für 40 Prozent der Kinder das Verhältnis zu ihren Freunden gelitten hat. Dies wirkt sich auch auf die Familien aus. Ein Drittel der Eltern meinen, dass zu Hause Streitigkeiten häufiger eskalieren als vor der Pandemie. Kaman forderte in Berlin mehr „Unterstützung im sozialen Raum“ insbesondere für die stark belasteten Familien. Um das zu erreichen, sollten dauerhaft KiTas und Schulen geöffnet bleiben und die Schulsozialarbeit „unbedingt flächendeckend“ ausgebaut werden.
Auch wenn nicht alle psychische Auffälligkeiten manifest würden, sollte die Copsy-Studie über eine längere Zeit fortgeführt werden, um auch Aussagen über die längerfristigen Folgen treffen zu können, forderte sie.
Die Erkenntnislage zu Long-COVID sei derzeit sehr dünn, sagte die Pädiaterin Professor Uta Behrends von der TU München. Ihren Angaben zufolge würden rund zehn Prozent der Kinder an Long-COVID (manifest krank auch vier Wochen nach Ausbruch) und rund drei Prozent der Kinder an Post-COVID (manifest krank noch nach drei Monaten) leiden. 0,1 bis 0,5 Prozent der Kinder erkranken dabei an der Myeolitischen Encephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom. Dies seien zwar relativ wenige Kinder, doch ist deren Lebensqualität und Lebenserwartung noch niedriger als bei Kindern mit anderen chronischen Erkrankungen.
Schwierige STIKO-Entscheidung
Gerade, um diese schweren Erkrankungen zu verhindern, habe sich die Ständige Impfkommission (STIKO) im September durchgerungen, die Impfungen für 12- bis 17-jährige nun doch zu empfehlen, erläuterte STIKO-Mitglied Professor Rüdiger von Kries. Dies sei eben nicht – wie oft behauptet – auf „Zuruf der Politik“ oder aufgrund des „Rechts auf Bildung von Kindern“, sondern rein nach wissenschaftlicher Datenlage erfolgt.
Diese weise derzeit einen „geringen Vorteil der Impfung“ im Vergleich zum Verzicht auf die Impfung aus. Das COVID-Risiko ist für Kinder laut von Kries aber nicht „gigantisch hoch“. Von 1000 infizierten Kindern musste nach Erhebungen bis Mai 2021 lediglich ein Kind stationär versorgt werden. Insgesamt sind bislang vier Todesfälle aufgetreten.