Lockdown-Beratungen
Kinderärzte fordern Öffnung von Kitas und Schulen
Im Vorfeld der Corona-Gespräche von Bund und Ländern am Mittwoch haben Kinder- und Jugendärzte einen dringlichen Appell abgesetzt. Zudem fordern sie Korrekturen am Rettungsschirm für Praxen.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Unmittelbar vor Beginn der Bund-Länder-Beratungen zum Corona-Lockdown am Mittwoch hatten die Kinderärzte eine rasche Öffnung von Kitas und Schulen angemahnt. „Die Devise muss lauten: Kitas und Schulen auf – und zwar jetzt“, sagte der Chef des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, der „Ärzte Zeitung“.
Die Runde der Länderchefs und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Mittwochabend schließlich entschieden, dass die Bundesländer über die Öffnung von Kindergärten und Schulen entscheiden sollen.
Die Öffnung der Schulen habe unter strikter Berücksichtigung der neuen S3-Leitlinie zu „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ zu erfolgen, so Fischbach. „Mehr an Vorsichtsmaßnahmen geht nicht.“
Gesundheitliche Kollateralschäden
Sollten die Einrichtungen weiter geschlossen bleiben, drohten sich körperliche und seelische Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen zu verschlimmern, warnte Fischbach. Die „gesundheitlichen Kollateralschäden“ des Lockdowns seien bereits „deutlich zu erkennen“.
Zuvor hatte sich bereits die Kultusministerkonferenz der Länder für die „schrittweise Wiederaufnahme des Schulbetriebs“ ab dem kommenden Montag ausgesprochen. Nach den Abschlussklassen sollten auch die unteren Jahrgänge wieder zur Schule gehen – sofern die „gute Entwicklung der Inzidenzwerte anhält“, heißt es in einem Beschluss der Kultusminister.
Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Professor Gernot Marx, forderte dagegen, die geltenden Maßnahmen zu verlängern. Anfang März solle dann über Öffnungsschritte diskutiert werden. Die Situation auf den Intensivstationen sei weiterhin „ernst“.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder sind Mittwochnachmittag per Videoschalte zusammengekommen, um das weitere Vorgehen in der Pandemie zu beraten, wobei die Zeichen bereits auf eine Lockdown-Verlängerung deuteten. Mehrere Medien hatten bereits zuvor berichtet, das Kanzleramt wolle den Lockdown bis zum 14. März ausdehnen. Wann und wie Kitas und Schulen öffnen, soll den Ländern überlassen sein.
Lockdown bis in den März hinein
„Um den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen Planungsperspektiven zu geben“, heißt es in einem ursprünglichen Entwurf zur Beschlussvorlage für die Beratungen, „arbeiten Bund und Länder weiter an der Fortschreibung der sicheren und gerechten Öffnungsstrategie, damit unser Leben wieder mehr Normalität gewinnt.“ Diese Strategie soll vom Chef des Bundeskanzleramts und den Chefs der Staats- und Senatskanzleien vorbereitet werden.
Immerhin wird festgehalten, dass „Öffnungen im Betreuungs- und Bildungsbereich“ Priorität haben sollen. Kinder und Jugendliche seien, ebenso wie ihre Eltern, besonders von den Einschränkungen betroffen, heißt es zur Begründung. Masken, Lüften und Hygienemaßnahmen seien aber weiter nötig,
Schnelltests für den Hausgebrauch
Mit Blick auf die Impfkampagne heißt es, die Bundesregierung werde „im fortlaufenden Dialog mit den Herstellern“ auf „längerfristig planbare Auslieferungstermine“ hinwirken. Das sei gerade mit Blick auf die fristgerechte Zweitimpfung wichtig. Bund und Länder seien weiter optimistisch, dass alle Bundesbürger „spätestens bis zum Ende des Sommers“ ein Impfangebot erhielten.
Um die Pandemie in den Griff zu bekommen, wollen Bund und Länder auch verstärkt auf Schnelltests zum Selbstgebrauch setzen. Sie seien ein „geeignetes Mittel zur Steigerung der Testkapazitäten“.
Die Rechtsgrundlage für den Vertrieb der Tests habe Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit einer Verordnung geschaffen. „Sobald Hersteller entsprechender Selbsttests, die für den Gebrauch ohne vorherige Schulung vorgesehen sind, eine Zulassung beantragen, wird der Bund diese zügig prüfen und bei erfolgreicher Prüfung zulassen“, wird betont. Voraussetzung sei der Nachweis einer ausreichenden Qualität.
Starke Fallzahlrückgänge
BVKJ-Chef Fischbach forderte unterdessen auch Nachbesserungen am Corona-Schutzschirm für die Praxen der Kinder- und Jugendärzte. Denen stehe das „Wasser bis zum Hals“. Der von Spahn vorgelegte Entwurf für ein Gesetz zur Fortdauer der epidemischen Lage von nationaler Tragweite springe zu kurz, da der darin vorgesehene Rettungsschirm für Praxen keine extrabudgetären Vergütungsanteile und Prävention berücksichtige.
Das aber würde den Praxen der Kinder- und Jugendärzte hart zusetzen, da präventive Leistungen wie Kindervorsorgen oder Impfungen dort knapp 30 Prozent der erbrachten Leistungen ausmachten, heißt es in einem an Spahn adressierten Schreiben des BVKJ, das der „Ärzte Zeitung“ vorliegt. „Summa summarum liegen die Fallzahlrückgänge zwischen 20 und 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal.“ Ebenso wie leerstehende Kliniken müssten auch Vertragsärzte, die „coronabedingt in eine existenzielle Notlage geraten, eine Stützung durch das System erfahren“, schreibt der BVKJ.
Reinhardt: Schutzschirm in Light-Version
Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, sprach von einem verlängerten Schutzschirm in „Light-Version“. Auch wenn die Mehrzahl der Leistungen der Praxen über die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung finanziert werde, so gäbe es doch viele Ärzte und Facharztgruppen, deren Honorar sich größtenteils an extrabudgetären Leistungen bemesse, sagte Reinhardt am Mittwoch in Berlin.
Dazu zählten etwa das ambulante Operieren, Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder Impfungen. Die Bundesregierung käme ihrem Versprechen, den Corona-Schutzschirm über den Praxen aufgespannt zu lassen, daher bislang nur ungenügend nach, kritisierte Reinhardt.
(Mitarbeit: af)