SARS-CoV-2-Immunisierung
Corona-Impfungen: KBV-Vertreter warnen vor Überforderung der Arztpraxen
Die COVID-19-Impfkampagne sorgt für Stress in den Arztpraxen. Die politische Vertretung der Kassenärzte warnt vor überzogenen Erwartungen und zuviel Bürokratie.
Veröffentlicht:Berlin. Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben vor einer Überlastung der Arztpraxen in der Pandemie gewarnt. Auch mit der Aufhebung der Priorisierung könne nicht jeder, der wolle, sofort geimpft werden. Zudem drohe mit dem EU-Impfzertifikat ein bürokratischer Supergau in den Praxen. Es wäre besser, wenn sich die Staaten auf das ohnehin geltende Gelbe Impfbuch als Impfnachweis verständigten.
Am 7. Juni soll die Priorisierung für alle Impfstoffe komplett aufgehoben werden. Hintergrund dieser politischen Entscheidung sind deutlich steigende Impfstofflieferungen, die ab dann erwartet werden. „Wir kommen dann in den Bereich, in dem die Impfkapazitäten auf Volllast fahren“, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Mittwoch bei einer Pressekonferenz.
„Gassen: „Mehr geht nicht!“
Die Aufhebung der Priorisierung mache es für die Praxen zwar einfacher, Patienten einzubestellen. „Mehr als jetzt können die Praxen aber nicht mehr arbeiten“, sagte der KBV-Chef. Die Gesamtkapazität der Praxen und Impfzentren wachse mit den erwarteten Impfstoffmengen auf 7,5 bis acht Millionen Impfungen in der Woche.
Aber nicht jeder Bundesbürger könne ab Juni sofort einen Impftermin bekommen. Forderungen aus der Politik, die Impfzentren dauerhaft zu betreiben, erteilte Gassen eine Absage. Die Corona-Impfungen müssten nun bald Teil der Regelversorgung werden.
Hofmeister: „Vereinzelte Ausstiege!“
Noch scheint sich der Frust über Einschränkungen und Verzerrungen bei der Impfstoffversorgung nicht flächendeckend zu entladen. Es gebe wegen der aktuellen Knappheit und unsicheren Lieferterminen und –mengen keinen nennenswerten Ausstieg von Praxen aus der Impfkampagne, betonten die KBV-Vorstände. „Das kommt bislang eher nur in Einzelfällen vor“, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Ein „Massenphänomen“ sei dies nicht. „Es gibt ein ungeheures Pflichtbewusstsein bei den Kolleginnen und Kollegen“, so der KBV-Vize.
Dies lässt sich belegen: Die Beteiligung der Praxen an der Impfkampagne übertrifft die Erwartungen. Mit 50.000 Praxen war gerechnet worden. Bislang sind 67.000 Praxen eingestiegen. Wichtig sei aber, dass zuverlässig mehr Impfstoff ankomme. „Es wäre fatal, wenn wir kurz vor dem Ziel die Praxen verlieren“, sagte Hofmeister.
Kriedel: „Machbar, aber nicht sofort!“
Ein weiterer Stressfaktor für die Praxen in der Pandemie ist die Bürokratie. Schon aktuell müssten die Impfungen im Gelben Impfausweis, bei den KVen, gegenüber den Kassen und dem Robert Koch-Institut dokumentiert werden, zählte KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel auf.
Weitere bürokratische Zumutungen stünden den Ärzten mit dem digitalen Impfzertifikat der EU in die Häuser. Dieses Zertifikat, das zudem auch den Status von Genesenen und Getesteten dokumentieren soll, überfordere die Möglichkeiten vieler Anbieter von Praxisverwaltungssystemen. „Das ist technisch zwar machbar, aber nicht sofort“, sagte Kriedel. Viele könnten voraussichtlich erst zum 1. Juli liefern. Die Industrie habe bereits darum gebeten, laufende Digitalisierungsprojekte rund um die Patientenakte aufschieben zu dürfen.
Dass die Praxisärzte zudem rund zehn Millionen bereits geimpfter Menschen nachträglich ihr digitales Impfzertifikat ausstellen sollen, gehe gar nicht. Dabei handele es sich nicht um eine medizinische Frage, betonten die KV-Vertreter. Bei dem Zertifikat handele es sich im Grunde um ein „Reisedokument“. Die Bestätigung, dass die Impfungen stattgefunden haben, könnten deshalb auch die Bürgerämter und andere Stellen vornehmen.