Drogenbericht

Crystal Meth weiter auf dem Vormarsch

Die Zahl der Drogentoten in Deutschland steigt wieder. Neue synthetische Drogen wie Crystal Meth stellen die Drogenpolitik und das Versorgungssystem vor neue Herausforderungen. Für die Versorgung von Opiatabhängigen kündigt die Bundesregierung Änderungen an.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Crystal Meth: Die Zahl der Erstkonsumenten wächst.

Crystal Meth: Die Zahl der Erstkonsumenten wächst.

© Arno Burgi / dpa

BERLIN. Es werden wieder mehr. Zwar hat sich die Zahl der Drogentoten in Deutschland seit der Jahrtausendwende fast halbiert. Doch in den letzten beiden Jahren steigt sie wieder.

1032 vorwiegend junge Menschen sind 2014 ihrem Drogenkonsum zum Opfer gefallen, 90 mehr als im Jahr 2012. Das entspricht einem Anstieg um drei Prozent.

Kritische Suchtmediziner, Kriminalbeamte und Juristen fordern vor diesem Hintergrund eine Neuausrichtung der Drogenpolitik in Deutschland.

In ihrem "Alternativen Drogen- und Suchtbericht" sprechen sie sich unter anderem dafür aus, dass der Zugang zu Diamorphinen in der Substitution für Drogenabhängige ausgebaut wird.

Rund 600 Patienten werden in den neun Ambulanzen bundesweit derzeit mit Diamorphin therapiert. Diese Behandlung bleibe im Vergleich zur Methadon-Substitution nachrangig, heißt es im Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung. Von einem Ausbau der Diamorphin-Behandlung ist dort nicht die Rede.

Bessere Behandlungsangebote

Die Drogenbeauftragte Marlene Mortler verweist stattdessen auf die Erfolge bei der Opiatsubstitution allgemein. "Opiatabhängige werden aufgrund guter Behandlungsangebote älter als früher", sagte Mortler.

Seit 2002 ist das durchschnittliche Todesalter der polizeilich registrierten Rauschgiftopfer von 32 auf 38 Jahre gestiegen.

Etwa 78.000 Opiatabhängige sind nach Angaben der Drogenbeauftragten derzeit in Substitutionsprogrammen. An die 5000 Abhängige würden in einer abstinenzorientierten Therapie behandelt.

Drogenfreiheit sei nur langfristig erreichbar. "Daher bleiben diese Angebote ein wichtiger Teil der Behandlung und der Lebenshilfe", sagte Mortler.

Die Drogenbeauftragte würdigte die Arbeit der rund 2650 Ärzte bundesweit, die Substitutionsbehandlungen anbieten. Sie kündigte zugleich gesetzliche Erleichterungen an. "Substituierende Ärzte leisten eine wertvolle Arbeit, aber es werden weniger. Das soll sich ändern.

Die Behandlung soll leichter zugänglich werden. Ich setze mich dafür ein, dass der Gesetzgeber den Rahmen der Behandlung klarer absteckt", sagte die Drogenbeauftragte. Eine entsprechende Anpassung des Betäubungsmittelrechts wird nach ihren Angaben bereits im Bundesgesundheitsministerium vorbereitet.

"In Abstimmung mit den Ressorts der Bundesärztekammer, den Ländern und den Suchthilfeverbänden sind wir auf einem guten Weg", so Mortler.

Wieder mehr Konsumenten harter Drogen

Nicht nur die Zahl der Drogentoten, auch die der erstauffälligen Konsumenten harter Drogen ist im vergangenen Jahr gestiegen. Um rund fünf Prozent wuchs sie dem Suchtbericht der Bundesregierung zufolge. Die Gesamtzahl stieg von 19.210 im Jahr 2013 auf 20.120 Betroffene 2014.

Mehr als die Hälfte (11.356) wurden mit Amphetaminkonsum auffällig. Die deutlichste Steigerung (plus 46 Prozent) zeigte sich beim Ecstasykonsum mit 2096 polizeilich auffälligen Erstkonsumenten und bei Crystal Meth. Für diese synthetische Droge verzeichnete die Polizeistatistik 3138 Erstkonsumenten. Das waren 14 Prozent mehr als 2013.

"Der zunehmende Konsum der hochgefährlichen Droge Crystal Meth hat uns 2014 stark beschäftigt", berichtete die Drogenbeauftragte.

Nach wie vor sei Crystal Meth jedoch kein bundesweites Problem. Den regionalen Schwerpunkt verortet die Bundesregierung im deutsch-tschechischem Grenzgebiet.

"In den Beratungs- und Behandlungszentren machen die hilfesuchenden "Crystal"-Konsumenten in diesen Regionen zwischen 50 und 70 Prozent der Klientel aus, aber auch in der Notfallmedizin und in der Psychiatrie stellen sie eine erhebliche Herausforderung dar", so der Suchtbericht der Bundesregierung.

Grenzübergreifende Initiativen

Gemeinsam mit den Bundesländern Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt wurden daher grenzübergreifende Initiativen gestartet. Als Erfolg vermeldet Mortler ein aktualisiertes Polizeiabkommen mit Tschechien.

Sie verweist auch darauf, dass in Polen nun politisch beschlossen sei, dass Ephidrin künftig unter Verschreibungspflicht stehen soll. Diese Ausgangssubstanz zur Herstellung von Crystal Meth ist im Nachbarland bisher frei verkäuflich.

Auch die neuen psychoaktiven Substanzen, sogenannte "Designerdrogen" oder "Legal Highs", bleiben ein Problem.

Ein neuer Stoff pro Woche ist laut dem Bericht der Bundesregierung 2014 auf den Markt gekommen. Konsumenten mussten demnach bereits künstlich beatmet oder reanimiert werden. Auch Todesfälle seien bereits bekannt geworden.

Cannabis am weitesten verbreitet

Die am weitesten verbreitete illegale Droge bleibt aber Cannabis. Zwar verzeichnet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seit 2001 einen Rückgang der Konsumenten im Alter von 12 bis 17 Jahren.

Doch bei den 18- bis 25-Jährigen zeigt sich seit 2008 ein Wiederanstieg, der 2014 das Niveau der Jahre 2001 und 2004 erreichte. Cannabis ist dem Bericht der Drogenbeauftragten zufolge der Hauptgrund für junge Menschen, eine Suchtberatung oder -behandlung zu nutzen.

Knapp ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung hat laut Suchtbericht bereits Cannabis probiert. Cannabis-Abhängigkeit oder -Missbrauch stellt der Bericht bei 0,5 Prozent der 18- bis 64-Jährigen fest.

Damit bleibe Cannabis das wichtigste Thema in der Prävention illegaler Suchtstoffe, so die Bundesregierung in ihrem Bericht.

Die Drogenbeauftragte hofft in diesem Zusammenhang auch auf das Präventionsgesetz.

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