Debatte um Gesetzesentwürfe
DGHS hält Neuregelung der Suizidbeihilfe für nicht zwingend erforderlich
Im Grunde unnötig, zudem mit Unsicherheiten behaftet: Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben wendet sich gegen die geplante Neuregelung der Suizidbeihilfe – einzig das Betäubungsmittelrecht sei anzupassen.
Veröffentlicht:Berlin. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) stuft die bislang vorliegenden Gesetzesentwürfe zur Neuregelung der Suizidbeihilfe als untauglich ein.
Bedenken bestünden vor allem hinsichtlich der den Vorschlägen immanenten Beratungspflicht, sagte DGHS-Präsident Professor Robert Roßbruch am Mittwoch. „Selbst bei einer Mehrheit für die liberale Variante dürften wir eine Pflicht-Beratung bekommen, die ich äußerst kritisch sehe.“
Seine Kritik rühre vor allem daher, dass sich die Beratungsinfrastruktur nicht so ohne Weiteres aufbauen lasse, betonte der Jurist. Insofern stelle sich die Frage: „Was passiert in der Zwischenzeit mit den Menschen, die eine organisierte Freitodbegleitung für die ihrem Selbstbild am ehesten entsprechende Option halten?“
Klarer Rechtsrahmen für Ärzte bereits vorhanden
Eine erneute Gesetzgebung zur Suizidbeihilfe sei auch gar nicht „zwingend erforderlich“, so Roßbruch. So habe das Verfassungsgericht den Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, „ein wie auch immer geartetes Suizidhilfegesetz zu verabschieden“.
Für Ärztinnen und Ärzte wiederum bestehe bereits ein klarer Rechtsrahmen. Organisationen, die Freitodbegleitungen anbieten oder vermitteln, arbeiteten „transparent und überprüfbar“, da sie nach jeder Freitodbegleitung die örtlich zuständige Kriminalpolizei einschalten müssten. Allein das geltende Betäubungsmittelrecht sei so anzupassen, dass suizidwillige Menschen auch ohne Inanspruchnahme einer Organisation die Möglichkeit eines selbstbestimmten Freitodes bekämen.
Dem Bundestag liegen drei Gesetzesvorschläge zur Neuregelung der Suizidbeihilfe vor. Die zwei Abgeordnetengruppen, die eine liberale Regelung der Suizidbeihilfe anstreben und hierfür ein Netz an Beratungsstellen planen, denken über eine Zusammenführung ihrer Anträge nach.
Der dritte, eher konservativ geprägte Entwurf will die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe stellen. Selbsttötung, so die Befürworter dieses Wegs, dürfe kein Normalfall – Suizidassistenz keine gewöhnliche Dienstleistung sein. Zur abschließenden Lesung der Entwürfe im Parlament könnte es noch in diesem Frühjahr kommen.
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Er hoffe, dass die Protagonisten einer liberalen Regelung die Praktikabilität ihrer Vorschläge prüften, so Roßbruch. Als „völlig indiskutabel“ stufte der DGHS-Präsident den Vorschlag ein, den Paragrafen 217 Strafgesetzbuch wieder einzuführen.
„Es gehört schon viel Ignoranz, Beratungsresistenz und ideologische Verblendung dazu, eine als bereits für verfassungswidrig und nichtig erklärte Strafrechtsnorm ein zweites Mal gesetzlich implementieren zu wollen.“
In diesem Fall seien die nächsten Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe programmiert. Die Nachfrage der Menschen nach „einem Notausgang“ sei „einfach da“, so Roßbruch. Vielen helfe in dieser Situation bereits das Wissen, „dass sie auf einen solchen Ausweg“ in Form einer organisierten Freitodbegleitung zurückgreifen könnten.
Die DGHS habe vergangenes Jahr 227 Freitodbegleitungen durchgeführt – insgesamt seien 630 Anträge eingegangen. „Das sind durchschnittlich jeden Monat etwa 50 Anträge – Tendenz seit einigen Monaten weiterhin steigend – die von den Psychologinnen und Psychologen unserer Geschäftsstelle gründlich geprüft werden“, erläuterte Roßbruch.
Als „erschreckend“ bezeichnete der Jurist, dass manche Menschen ihr Ableben bewusst im Termin vorziehen wollten, weil sie eine restriktive neue Gesetzgebung fürchteten. (hom)