Gastbeitrag

"Der Gesetzgeber muss seine eigene Idee retten"

Die Politik hat das Ziel vorgegeben. Ein neuer Leistungssektor soll kommen - die ambulante spezialärztliche Versorgung. Die KBV steht dahinter, Vorstandschef Dr. Andreas Köhler nennt sie im Gastbeitrag für die "Ärzte Zeitung" lobenswert. Doch die Ausgestaltung ist für ihn "inakzeptabel", die Politik müsse dringend nachbessern.

Von Dr. Andreas Köhler Veröffentlicht:

Dr. Andreas Köhler

Aktuelle Position: Seit 2005 Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin.

Werdegang/Ausbildung: Der 50-Jährige Andreas Köhler ist gelernter Chirurg und Betriebswirt.

Karriere: Köhler ist seit 1995 mit kurzen Unterbrechungen für die KBV tätig. Im März 2011 hat ihn die Vertreterversammlung für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt. Als eines seiner Ziele bezeichnet Köhler, den Arztberuf wieder attraktiver zu machen.

Mit der ambulanten spezialärztlichen Versorgung wollte die Politik einen modernen, bürokratiearmen und transparenten Versorgungsbereich mit einer Einzelleistungsvergütung, die den Versorgungsbedarf abdeckt, schaffen.

Diese Idee ist nach wie vor zu befürworten, stellt sie doch einen lobenswerten Versuch dar, ohne die üblichen Regulierungsinstrumente auszukommen und auf die Eigenverantwortung von Arzt und Patient zu vertrauen.

Leider ist nach dem jetzigen Referentenentwurf von dieser Ursprungsidee nicht mehr viel übrig geblieben. Geht es nach ihm, wird die spezialärztliche Versorgung neue Bürokratie und ungleiche Bedingungen zwischen Arzt und Krankenhaus schaffen. Deshalb sollte der Gesetzgeber dringend nachbessern, um seine eigene - gute! - Idee zu retten.

Der Gesetzentwurf verfehlt das Ziel Bürokratieabbau

Das Ziel des Versorgungsstrukturgesetzes, einen Bereich zu schaffen, in dem in einem ersten Schritt Patienten mit speziellen Erkrankungen von niedergelassenen und Krankenhaus-Ärzten gemeinsam versorgt werden, ist positiv.

Die KBV fordert schon lange eine bessere Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors. Eine enge Zusammenarbeit nützt den Versicherten und hilft, die Versorgung aufwendiger Krankheiten auch ambulant sicherzustellen. Dies begrüßen wir ausdrücklich.

Aber: Die Ausgestaltung der ambulanten spezialärztlichen Versorgung im Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums ist in dieser Form inakzeptabel. Eine Definition, welche Leistungen überhaupt diesem Versorgungsbereich außerhalb des Kollektivvertrags zuzurechnen sind, ist nicht vorhanden.

Überweisungsvorbehalte und Kooperationserfordernisse sind mit einer Ausnahme nicht geregelt, sondern werden Mehrheitsverhältnissen im Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses überlassen.

Die KBV wird ihre Zustimmung zu dem neuen Versorgungsbereich nur dann aufrechterhalten, wenn einige ganz wichtige Bedingungen erfüllt sind.

Diese sind: eine Abrechnung als Einzelleistungen ohne Mengensteuerung, keine Bereinigung der ambulanten Vergütung, eine präzise Definition der Zusammenarbeit sowie die verbindliche Übernahme der im ambulanten Bereich geltenden Qualifikationsanforderungen für den stationären Bereich.

Das Versorgungsstrukturgesetz hat ein wichtiges Ziel, welches die KBV ausdrücklich befürwortet: den Bürokratieabbau. Das Vorhaben, die Abrechnung und Vergütung der ambulanten spezialärztlichen Versorgung unmittelbar über die Krankenkassen abzuwickeln, bewirkt jedoch das genaue Gegenteil.

Es müssten doppelte Abrechnungsstrukturen geschaffen werden, parallele Vergütungsregelungen sowie parallele Qualitätsvereinbarungen und -kontrollen. Dies wäre kein Beitrag zum Abbau von Bürokratie, sondern das genaue Gegenteil!

Eine vernünftige Lösung kann deshalb nur sein, die vorhandenen und bewährten Strukturen der Kassenärztlichen Vereinigungen zu nutzen.

Geradezu ungerecht ist die vorgesehene einseitige Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung um die vertragsärztlichen Leistungen, die Bestandteil der spezialärztlichen Versorgung sind.

Dagegen bleiben die Bereinigung spezialärztlicher Leistungen aus den teilstationären und tagesstationären DRG-Fallpauschalen der Krankenhäuser sowie deren Berücksichtigung bei der Verhandlung der stationären Erlösbudgets außer acht.

Dabei sollte der neue Versorgungsbereich doch vor allem dafür sorgen, dass die Kompetenzen beider Sektoren zum Wohle des Patienten zusammenwirken. Wie genau Kooperationen ausgestaltet werden, ist jedoch völlig unklar.

Ungerechte Bereinigung der Gesamtvergütung

Die KBV fordert hier eine eindeutige gesetzliche Definition sowie eine Klarstellung, dass die Behandlung im Rahmen der ambulanten spezialärztlichen Versorgung an die Überweisung durch einen Vertragsarzt geknüpft ist.

Andernfalls wäre nicht sichergestellt, dass Niedergelassene und Krankenhausärzte wirklich zusammenarbeiten. Das jedoch würde die Idee der spezialärztlichen Versorgung konterkarieren.

Der Referentenentwurf sieht des Weiteren vor, dass Vertragsärzte und Krankenhäuser ihre Qualifikation für die ambulante spezialärztliche Versorgung gegenüber der zuständigen Landesbehörde nachweisen müssen. Dies widerspricht dem Grundgedanken des Regelungsauftrages an die Selbstverwaltung.

Zu guter Letzt bleibt der Fahrplan für die Einführung des neuen Versorgungsbereichs in dem Referentenentwurf unklar. Dies gilt sowohl für den Starttermin (1. Januar 2012 oder erst nach der Anpassung der Richtlinien durch den Gemeinsamen Bundesausschuss beziehungsweise der Beschlüsse?) als auch für die Erweiterung des Leistungskataloges um Leistungen des ambulanten Operierens.

Fazit: Die ambulante spezialärztliche Behandlung bietet die Chance, einen Wettbewerb in der Gesundheitsversorgung zu fairen Bedingungen zu ermöglichen und gleichzeitig die Versorgung zu verbessern. Der Gesetzgeber sollte diese Chance nicht verspielen.

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 19.07.201110:41 Uhr

Verzahnung ohne Zähne ??

Die so genannte Verzahnung des ambulanten mit dem stationären Versorgungsbereich ist keine Idee der amtierenden KBV, sondern seit Jahrzehnten Gegenstand der Diskussion, eine Regelung ist gesundheitspolitisch überfällig.

Nachdem Mitte der 90er Jahre ein Vertragswerk zwischen KBV und Marburger Bund an der KBV-VV gescheitert war, galt der Bereich als sensibel.

Es ist der amtierenden KBV zu danken, dies - bei einer den Ärzten wohl gesonnenen Regierung - wieder eingefädelt zu haben.

Die vermeintliche Schwäche der KBV ist nicht an einem vorläufigen Gesetzesentwurf ablesbar. Die Schwäche der KBV ist in Wahrheit eine Schwäche der verfassten Ärzteschaft, in der Uneinigkeit, Streit und Missgunst seit Jahrzehnten einen fatalen Einfluss auf die Berufspolitik nehmen und damit auch auf deren Ergebnisse. Denn den Mitspielern auf dem Feld, den Krankenkassen, der Krankenhausgesellschaft und den politischen Entscheidungsträgern bleibt diese Schwäche nicht verborgen.

Es sind gewiss nicht einzelne kritische Kommentare in der Ärztezeitung, welche die Verhandlungsposition der KBV weiter schwächen. Aber diese Kommentare sind in ihrer argumentatitiven Unausgereiftheit und dem nicht selten unangemessenen Tonfall ein beredtes Symptom für eine Politisierung, die - nach dem alten Gleichnis - die Speere nach innen statt nach außen wendet.

Dr. jens wasserberg 19.07.201107:07 Uhr

Die Geister die er selber rief

Die neue Versorgungsebene wurde doch laut Aussagen aus der KBV dort ausgetüftelt ! Wieder einmal hat man erst zu spät die Insuffizienz der eigenen Vorschläge erkannt. Damit hat man dem durch die duale Finanzierung ohnehin subventionierten Konkurrenten aus der Klinik, der über gar kein ausreichendes Fachpersonal für diese Behandlungen neben der Kliniktätigkeit verfügt, wieder einmal Vorschub geleistet.
Alles, was die KBV in den letzten Jahren angefasst hat, ist gescheitert. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen dort einmal hinterfragen, ob nicht diverse Honorarreformen, eine abgebrochene Konvergenz und eine Reregionalisierung nicht Belege für die eigene Unfahigkeit sind. Jetzt kommt der einseitige Ausverkauf an die Klinikambulanzen noch dazu. Es bleibt rätselhaft, warum die Ärzteschaft sich eine solch schwache Entscheidungsebene in der KBV leistet.

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