Pflegepersonal-Stärkungsgesetz
Der Teufel steckt im Detail
Die Personalnot auf den Stationen der Krankenhäuser und in den Altenpflegeheimen stand Pate für ein Pflegepersonal-Gesetz. Bei den Betroffenen stößt das Werk nicht nur auf Zustimmung.
Veröffentlicht:BERLIN. 13.000 zusätzliche Stellen für Pflegefachkräfte in den Altenheimen, verbesserte Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte in den Krankenhäusern: Der Referentenentwurf eines Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) aus dem Bundesgesundheitsministeriums stößt bei den Verbänden aus dem Gesundheitswesen auf gemischte Reaktionen.
Bei der Verbändeanhörung am Mittwoch wurde allerdings deutlich, dass die Zustimmung nur für die große Linie gilt. Was die Detailregelungen angeht, haben die Betroffenen zum Teil massive Vorbehalte angemeldet.
Weder schnelle noch einfache Lösungen, den Pflegenotstand aufzulösen, werde es nicht geben. "Neue Pflegerinnen und Pfleger kann man sich nicht schnitzen", sagte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Martin Litsch am Mittwoch. Darauf und auf die vorprogrammierten Beitragsanhebungen muss die Politik die Menschen vorbereiten.
Kollateralschäden erwartet
Bereits in diesem Jahr wird die Pflegeversicherung mit 3,1 Milliarden Euro in die Miesen rutschen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat bereits eine Anhebung der Beiträge zur Pflegeversicherung von 0,3 Prozentpunkten zum kommenden Jahr angekündigt.
Der AOK-Verband lehnt die geplante vollständige Finanzierung von Tarifsteigerungen für Pflegepersonal in Krankenhäusern ab. Aktuell gibt es eine hälftige Finanzierung. Die geplante Herausnahme der Pflegekosten aus den Fallpauschalen halten die Vertreter der Ortskrankenkassen wegen erwarteter "Kollateralschäden" am DRG-System für zweifelhaft.
Um den Druck auf die stationären Personalkosten zu senken, sollten Bund und Länder stattdessen gemeinsam den Krankenhäusern eine sich dynamisch anpassende Investitionsquote von acht Prozent garantieren.
Derzeit kommen die Länder ihren Verpflichtungen zur Investitionskostenfinanzierung nur unzureichend nach. Dass mit dem Gesetzentwurf der Strukturfonds die Länder bei den Investitionskosten entlasten soll –Stichwort Digitalisierung, wird bei der AOK dementsprechend kritisch gesehen.
Auch die Ersatzkassen mahnen zum umsichtigeren Umgang mit den Versichertengeldern. Problematisch an dem Gesetzentwurf sei, dass die vom Gesetz ausgelösten Kosten ausschließlich von den Beitragszahlern zu schultern seien. Allein 2019 hätten die Versicherten Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro zu stemmen.
Der Ersatzkassen-Verband vdek fordert daher ein "schlüssiges Gesamtkonzept zur ausgewogenen Finanzierung". Beteiligt werden sollten GKV, PKV, Pflegeversicherung sowie Bund und Länder.
Keil zwischen den Sektoren?
Einen anderen Blickwinkel nehmen die Krankenhausärzte im Marburger Bund ein. Die Politik nehme inzwischen wahr, dass der preisgetriebene Wettbewerb über die DRG zu Personalabbau und negativen Konsequenzen in der Patientenversorgung führe, heißt es in der Stellungnahme des Marburger Bundes. Deshalb sollte der Gesetzgeber nicht nur die Pflegepersonalkosten, sondern alle Personalkosten der Krankenhäuser aus den Fallpauschalen herauslösen, Tarifsteigerungen für Ärzte sollten von den Kassen übernommen werden.
Einen Blick auf die im Gesetzentwurf angesprochenen Details der Pflegeheimversorgung wirft die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrer Stellungnahme zum PpSG. Geplant ist die Frist zu verkürzen, innerhalb derer die KVen Heimen einen Kooperationsvertrag mit einem niedergelassenen Arzt vermitteln muss. Bislang sind dies sechs Monate, künftig sollen es drei sein.
Eine solche Regelung setze nicht an den Strukturdefiziten an, die den Versorgungsproblemen zugrunde lägen. Notwendig sei die Erleichterung von Krankentransporten in die Praxen und die Verzahnung von Arztpraxen mit Pflegeheimen schon in der Bauplanung der stationären Einrichtungen.
Der Gesetzgeber treibe einen Keil zwischen die Versorgungsbereiche der Pflege, warnt der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB). Nicht nur in den Krankenhäusern sollten zusätzliche Stellen voll refinanziert werden, sondern auch in der stationären, teilstätionären und ambulanten Pflege.