Falls Steuerzuschuss wegfällt
Der sozialen Pflegeversicherung droht eine finanzielle Schieflage
Trotz Corona erwirtschaftet die soziale Pflegeversicherung 2020 ein Plus – auch dank eines milliardenschweren Bundeszuschusses. Diese Finanzspritze sei weiterhin nötig, betonen Kassenvertreter.
Veröffentlicht:Berlin. Bange Blicke richten sich aktuell vor allem auf die künftige Finanzentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dabei droht auch die kleine Schwester der GKV, die soziale Pflegeversicherung (SPV), in eine finanzielle Schieflage zu geraten.
Gesamteinnahmen von 50,6 Milliarden Euro standen laut GKV-Spitzenverband im vergangenen Jahr Gesamtausgaben von 49,1 Milliarden Euro gegenüber. Das Corona-Jahr 2020 konnten die Pflegekassen folglich mit einem positiven Rechnungsergebnis von 1,5 Milliarden Euro abschließen – auch dank eines in der gut 25-jährigen Geschichte der SPV erstmals gezahlten Bundeszuschusses in Höhe von 1,8 Milliarden Euro.
Rettungsschirm hat 1,8 Milliarden Euro gekostet
Der Löwenanteil der Leistungsausgaben der SPV entfiel laut Kassenverband auf Folgekosten der Coronavirus-Pandemie. Dabei gingen 1,8 Milliarden Euro auf den Rettungsschirm für Heime und Pflegedienste zurück, die sogenannte Coronaprämie für Altenpfleger schlug mit 900 Millionen Milliarden Euro zu Buche.
Minderausgaben habe es vor allem im Bereich der Tages- und Nachtpflege sowie der Kurzzeitpflege (zusammen minus 300 Millionen Euro) gegeben. Insgesamt könne somit von pandemiebedingten Mehrkosten für die SPV in Höhe von rund 2,4 Milliarden Euro gesprochen werden, teilte der Kassenverband mit.
Der Vorstandsvize des GKV-Spitzenverbands, Gernot Kiefer, forderte auch für das Jahr 2021 einen „verlässlichen“ Zuschuss des Bundes zur SPV. „Wir brauchen eine Entlastung für die Pflegeheimbewohner, stabile Beiträge für die Beitragszahler und eine bessere Vergütung für Pflegekräfte. Ohne verlässlichen Bundeszuschuss ist das nicht zu machen“, sagte Kiefer der „Ärzte Zeitung“.
Vertreter mehrerer Kassenarten richten ähnliche Appelle Richtung Politik. Der Chef des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, fürchtet allein für das Jahr 2022 einen finanziellen Mehrbedarf in der Pflegeversicherung von 4,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2023 könne sich der Mehrbedarf sogar auf fünf Milliarden Euro hochschaukeln, sagte Litsch der „Ärzte Zeitung“.
Steuerzuschuss nicht nach Haushaltslage
Dies habe aber nur bedingt mit pandemiebedingten Effekten zu tun, betonte Litsch. Es handele sich vielmehr um ein strukturelles Finanzierungsproblem. Insbesondere die Pflegeprävalenzen und die Maßnahmen für eine verbesserte Personalsituation in der Langzeitpflege schlügen zu Buche. Da die Pflegeversicherung „gesamtgesellschaftliche Aufgaben“ finanziere, sei die Einführung eines „zweckgebundenen Bundesbeitrages unbedingt erforderlich“.
Dieser Beitrag müsse eine solide Einnahmenquelle darstellen und dürfe sich nicht nach der Haushaltslage richten. „Deshalb muss der Bundesbeitrag verlässlich finanziert und regelmäßig dynamisiert werden“, forderte Litsch.
Der Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, Uwe Klemens, erinnert in diesem Zusammenhang auch an die Finanzwirkungen der geplanten Reform zur Begrenzung der Eigenanteile – die liegen im Bundesdurchschnitt bei 2068 Euro im Monat. Außer einem „dauerhaften Steuerzuschuss“ brauche es eine Beteiligung der privaten Pflegeversicherung am Solidarausgleich mit der SPV. Dadurch könne diese um rund zwei Milliarden Euro im Jahr entlastet werden, so Klemens.