Corona und Kindeswohl
Diese fünf Forderung sollen Kinder sicher durch die Pandemie bringen
Kinder und Jugendliche leiden massiv unter den Corona-Maßnahmen. Ein vom Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) initiiertes Bündnis fordert von der Politik ein Entgegensteuern.
Veröffentlicht:Berlin. Der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) kritisiert den Umgang der Politik mit der Psyche von Kindern und Jugendlichen scharf. In der Pandemie werde die Industrie als absolut systemrelevant dargestellt. „Auch Kinder und Jugendliche sind sehr systemrelevant“, sagt Benedikt Waldherr, Vorstandsvorsitzender des bvvp.
Gemeinsam mit fünf weiteren Verbänden, darunter dem Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (bkjpp), dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj), dem Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp), der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) und der Vereinigung analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (VAKJP), fordert er deshalb ein entschlossenes Handeln für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen.
Erhöhter Nachfragedruck in Praxen
Die Psychotherapeuten spüren über den erhöhten Nachfragedruck auf ihre Praxen, wie stark Kinder und Jugendliche vom Lockdown betroffen seien. Kinder und Jugendliche weisen unter anderem vermehrt Angst- und Zwangsstörungen, depressives und externalisierendes Verhalten, Vereinsamung und Motivationsverlust auf, zudem gebe es mehr innerfamiliäre Konflikte bis hin zur Kindeswohlgefährdung, erklärt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des BVJK. Dies belegt auch die COPSY-Studie (Corona und Psyche) vom Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf. Demnach leidet beinahe jedes dritte Kind unter psychischen Auffälligkeiten. „Wir als Psychotherapeuten kommen gar nicht hinterher, die zunehmenden Störungen zu behandeln“, sagt Waldherr.
Unter dem Slogan „Kinder und Jugendliche brauchen mehr“ forderten die Verbände in einer Online-Diskussion ein politisches Maßnahmenpaket. 23 weitere Verbände unterstützen die Forderungen. Das Bündnis, welches insgesamt 60.000 Ärztinnen und Ärzte vertritt, stellte insgesamt fünf Kernforderungen auf, um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sofort zu verbessern:
- Unter anderem soll ein Kinder- und Jugendrat analog dem Ethikrat errichtet werden, der sich für ihre Interessen einsetzt. „Ziel ist, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie Kinder und Jugendliche während des Lockdowns aber auch in der Folgezeit dauerhaft besser unterstützt werden können“, sagt Dr. Helene Timmermann vom VAKJP.
Zentrale Hilfsnummer für Kinder in Not
- Bisherige Angebote wie die Nummer gegen Kummer würden derzeit nicht mehr ausreichen. Zusätzlich soll deshalb eine zentrale und deutschlandweit erreichbare Hilfsnummer für Kinder und Jugendliche in Pandemie-Zeiten eingerichtet werden, damit sie in einem geschützten Bereich und fachkompetenter Beratung über ihre Probleme reden können, fordert BVKJ-Chef Fischbach.
- Kurzfristige und langfristige Freizeitangebote: Kontakte zu Gleichaltrigen seien trotz Pandemie nötig, um psychische Folgen bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern. Gerade jetzt seien tägliche, kostenlose und flächendeckende Sport-, Bewegungs- und kulturelle Aktivitäten an öffentlichen Orten – mit Einhaltung der AHA-Regeln – erforderlich wie etwa Laufspiele, Krafttraining, Yoga, singen, zeichnen oder Graffiti. „All das kann Teilhabe am sozialen und kulturellen, gesellschaftlichen Leben ermöglichen“, sagt Ariadne Sartorius, Vorstandsmitglied des bvvp.
Außerschulischen Aktivitäten fördern
- In der Pandemie seien wichtige Bereiche für die Kinder und Jugendlichen weggebrochen, die aber für eine gesunde Entwicklung unabdingbar seien. Es fehle vor allem an außerschulischen Aktivitäten. Eine Initiative zur Unterstützung von soloselbstständigen Kulturschaffenden und beschäftigungslos gewordenen Personen aus dem Kultur- und Sportbereich soll diese als Honorarkräfte anwerben, um längerfristige Projekt umzusetzen, so sagt Dr. Gundolf Berg, Vorsitzender des BKJPP.
- Bereits jetzt müsse für die Zeit nach der Pandemie geplant werden, um Hilfs- und Unterstützungsangebote auf den Weg zu bringen. „Der Fokus darf dann nicht nur auf dem versäumten Schulstoff liegen“, meint Michaela Willhauck-Fojkar vom DPtV. Sobald es die Situation erlaubt, müsse ein breites Angebot an außerschulischen Freizeitaktivitäten bereitgestellt sein. Um etwa zu Musikprojekten, Bewegungsangeboten oder Möglichkeiten für soziales Miteinander zu gelangen, soll außerdem der Nahverkehr ein Jahr kostenlos genutzt werden können.