Deutschland
Doch nicht Op-Weltmeister?
Hierzulande werden zu viele Eingriffe vorgenommen - dieser Vorwurf müsse revidiert werden, heißt es nun in einer Studie der PKV: Denn Deutschland läge im EU-Vergleich im Mittelfeld, würde das Alter der Patienten im Ranking stärker berücksichtigt.
Veröffentlicht:KÖLN. Die immer wieder gehörte Behauptung, in Deutschland kämen Patienten überdurchschnittlich häufig unters Messer, hält der Überprüfung ebenso wenig stand wie der Verweis auf die zu hohen Gesundheitskosten hierzulande. Zu diesem Ergebnis kommt das Wissenschaftliche Institut der Privaten Krankenversicherer (WIP) in einer aktuellen Untersuchung.
In ihrer Analyse "Die Aussagekraft von Länderrankings im Gesundheitsbereich" nehmen die Autoren Verena Finkenstädt und Dr. Frank Niehaus die auf Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beruhenden Ranglisten kritisch unter die Lupe.
Dabei stoßen sie vor allem auf ein Manko: Bei den Erhebungen zu chirurgischen Eingriffen und zu den Gesundheitsausgaben gibt es keine Altersstandardisierung.
"Doch gerade die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und die Gesundheitsausgaben werden maßgeblich von der Altersstruktur der Bevölkerung beeinflusst", schreiben Finkenstädt und Niehaus.
"Ohne Berücksichtigung der Altersstruktur kann aus einem Ländervergleich der Fallzahlen keine Überversorgung abgeleitet werden."
Studie mit Altersvergleichen
Werden die OECD-Daten einer Altersstandardisierung unterzogen, verändert das die Ranglisten. So liegt Deutschland im Vergleich von 32 Ländern bei Hüftersatz-Operationen in der OECD-Statistik auf Platz zwei hinter der Schweiz.
In dem von den Autoren erstellten altersstandardisierten Ranking bleibt die Schweiz an der Spitze, aber Norwegen, Österreich und Luxemburg schieben sich vor Deutschland, das jetzt auf Rang fünf liegt.
Gleichzeitig verringern sich die Abstände zu vielen Ländern, die dann folgen. Das WIP hat die Altersstandardisierung bei insgesamt 15 Operationen angewandt.
"Deutschland rutscht bei allen Eingriffen, die ihren Schwerpunkt im Alter haben, im Länderranking nach hinten."
Anders sieht es dagegen bei den Eingriffen "Entfernung der Gaumenmandeln" und "Entfernung des Blinddarms" aus, die vorwiegend in jüngeren Jahren erfolgen. Bei ihnen schiebt sich Deutschland nach vorn.
Insgesamt zeige sich jedoch, dass Deutschland bei Berücksichtigung seiner älteren Bevölkerung den vielzitierten Titel des "Operationsweltmeisters" verliere, so die Autoren.
"Ein Ländervergleich auf Basis der unbereinigten OECD-Daten ist damit nicht als Beleg für eine ausgeprägte Überversorgung in Deutschland geeignet."
Bei den Gesundheitsausgaben führt die Altersstandardisierung dazu, dass Deutschland von Platz sechs auf Platz neun wandert. Damit bleibe Deutschland noch deutlich über dem OECD-Durchschnitt, stellen Niehaus und Finkenstädt fest.
Eine Platzierung im Mittelfeld sei auch nicht erstrebenswert, weil in den Durchschnitt auch die Daten von OECD-Mitgliedsstaaten eingehen, die über weniger leistungsstarke Gesundheitssysteme verfügen wie Mexiko oder Chile, so die Wissenschaftler.
"Eingriffe zu moderaten Kosten"
"Zusammenfassend zeigt die Untersuchung, dass das deutsche Gesundheitssystem ein hohes Maß an Versorgung durch chirurgische Eingriffe zu moderaten Kosten bereitstellt", betonen die Autoren.
Mit den altersadjustierten OECD-Daten lasse sich im Länder-Vergleich weder eine Übertreibung im System noch eine Überversorgung nachweisen.
"Dies ändert jedoch nichts an der Wichtigkeit, jeden einzelnen Eingriff - nicht zuletzt wegen vorhandener Risiken und möglicher Nebenwirkungen - intensiv auf seine Notwendigkeit zu prüfen."