Nutzenbewertung
Drei Fraktionen gegen Senkung von Standards
BERLIN. Union, SPD und Grüne wollen am Freitag eine sogenannte Subsidiaritätsrüge im Bundestag beschließen, mit der sie sich gegen eine verpflichtende EU-weite Harmonisierung der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel wehren.
Die drei Fraktionen sehen die Gefahr, dass dieses Vorhaben "zur Abwertung von Standards der Nutzenbewertung in Deutschland führt", heißt es in dem Antrag, über den am Freitag ohne weitere Aussprache abgestimmt werden soll.
Der EU-Vorschlag greife in seiner derzeitigen Ausgestaltung "in die rechtlich geschützte Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten" für die Organisation ihres Gesundheitswesens ein. Besonders stören sich die Fraktionen am geplanten Verbot, eigene nationale Nutzenbewertungsverfahren eines Medikaments zu starten, wenn bereits ein Bewertungsprozess in einem anderen EU-Mitgliedsland angelaufen ist.
Damit werde die alleinige Zuständigkeit der EU-Staaten für die Erstattung und Preisbildung neuer Arzneimittel ausgebremst.
Die Rüge muss aus Fristgründen bis 3. April bei der EU-Kommission eingegangen sein. Eine zentralisierte Bewertung von Gesundheitstechnologien könne den "unterschiedlich ausgelegten Gesundheitssystemen" in der EU nicht gerecht werden.
Abgestimmtes Verfahren frühestens ab 2024
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht bisher vor, dass die Mitgliedstaaten frühestens ab 2024 ein abgestimmtes Verfahren anwenden.
Eine durchgehend kritische Bewertung der geplanten EU-Harmonisierung haben unterdessen das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin und der Verein zur Förderung der Technologiebewertung im Gesundheitswesen (HTA.de) vorgelegt.
Nach Ansicht beider Organisationen würden mit dem Vorhaben "durch Wirtschaftsinteressen geprägte Bewertungen durch die EU-Kommission autorisiert". Abweichende Interpretationen der Evidenz für ein bewertetes Medikament oder eine Technologie seien dann "im Interesse eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts nicht mehr zulässig".
Erschwerend komme hinzu, dass sich die EU-Kommission weitreichende Einflussnahme vorbehalten wolle. "So will sie etwa methodische oder prozessbezogene Vorgehensweisen per Rechtsverordnung festlegen und somit Einfluss auf die Bewertungsmethodik nehmen", heißt es in einer Stellungnahme beider Organisationen.
Hingegen fehle in dem Vorschlagspapier der EU-Kommission die Verpflichtung für Hersteller, eine "vollständige Datengrundlage", die auch unpublizierte Daten umfasst, bereitzustellen. (fst)