Antimikrobielle Resistenzen
EU-Parlament: Weniger Antibiotika in Europa einsetzen!
Die Abgeordneten im EU-Parlament stimmen in einer Resolution dem von der Kommission vorgeschlagenen Ziel zu, den Gesamtverbrauch von Antibiotika in der EU bis zum Jahr 2030 um 20 Prozent zu senken.
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Antimikrobielle Resistenzen: Dagegen wünscht sich das EU-Parlament mehr Engagement.
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Brüssel. Am Donnerstag hat das Europäische Parlament in Brüssel mit großer Mehrheit einen Vorschlag für eine Entschließung zu EU-Maßnahmen zur Bekämpfung der Resistenz gegen antimikrobielle Mittel angenommen. Die verabschiedete Resolution beinhaltet empfohlene Ziele für eine umsichtigere Verwendung von Antibiotika und einer besseren Beobachtung und Überwachung des Verbrauchs.
Forschung und Entwicklung sowie Anreize für Innovation und Zugang zu antimikrobiellen Mitteln sollen als Gegenmaßnahme zu Resistenzen dienen. Gleichzeitig spricht sich das Parlament in der Resolution für präventive Maßnahmen, wie bessere Sanitärversorgung und Hygiene und mehr Sensibilisierung, Bildung und Ausbildung in diesem Bereich aus.
Nationale Aktionspläne erstellen, umsetzen und aktualisieren
Der Text fordert die EU-Länder auf, nationale Aktionspläne zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen zu erstellen, umzusetzen und regelmäßig (mindestens alle zwei Jahre) zu aktualisieren, da dies eine Priorität für ihre nationalen Gesundheitssysteme sei.
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Die Abgeordneten stimmen dem von der Kommission vorgeschlagenen Ziel zu, den Gesamtverbrauch von Antibiotika in der EU bis zum Jahr 2030 um 20 Prozent zu senken. Sie bestehen jedoch darauf, dass die nationalen Maßnahmen auch sicherstellen müssen, dass mindestens 70 Prozent der verbrauchten Antibiotika zur „Zugangsgruppe“ gemäß der AWaRe-Klassifizierung der WHO gehören, es sich also um Antibiotika handelt, die gegen ein breites Spektrum von häufig vorkommenden Krankheitserregern wirksam sind und gleichzeitig ein geringeres Resistenzpotenzial aufweisen.
Es wird erwartet, dass die Mitgliedstaaten den Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz Mitte Juni annehmen werden.
Unterschiedliche Reaktionen
Die Reaktionen auf die Resolution fallen unterschiedlich aus. So betont zum Beispiel Tiemo Wölken, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten, dass vielmehr für die Prävention infektiologischer Erkrankungen getan werden müsse – auch um Pharmamüll zu vermeiden. „Die Resistenz gegen antimikrobielle Mittel kann nur durch den „One Health“-Ansatz und eine bessere Koordinierung auf EU- und globaler Ebene bekämpft werden. Wir müssen den derzeitigen Einsatz antimikrobieller Mittel genau prüfen und eine Einschränkung ihrer Verwendung, insbesondere in der Landwirtschaft, in Erwägung ziehen, um die zunehmende Resistenz gegen antimikrobielle Mittel zu bekämpfen.
Es ist nicht mehr vertretbar, bestimmte Medikamente als letztes Mittel für die Lebensmittelproduktion einzusetzen. Wenn Antibiotika nicht umsichtig eingesetzt werden, wird es uns nicht gelingen, die Antibiotikaresistenz zu verhindern, was schlimme Folgen haben wird. Deshalb braucht die EU eine umfassendere Liste von Antibiotika, die speziell für den menschlichen Gebrauch reserviert sind. Alles andere wäre ein Spiel mit dem Feuer und mit Menschenleben“, so Wölken.
„Schwarzer Peter“ zwischen Human- und Tiermedizinern
„Wir müssen endlich aufhören mit dem schwarzen Peter-Spiel. Viele Humanmediziner sagen, die Tiermediziner müssen mehr tun, viele Tiermediziner sagen, die Humanmediziner müssen mehr tun. Die Grünen sagen, wir brauchen strengere Regeln bei der Anwendung und Christdemokraten und Liberale sagen, wir brauchen mehr Innovationen. Ich sage, wir brauchen dies alles und keiner darf sich zurücklehnen mit Verweis auf andere. Es geht um Menschenleben und deshalb muss all jetzt so schnell wie möglich umgesetzt werden“, verdeutlicht hingegen der Arzt und Europaabgeordneten Dr. Peter Liese (CDU).
Liese sieht auch noch weitere Schritte notwendig. „Wir brauchen noch weitere Maßnahmen. Zum Beispiel, in der von der Kommission vorgeschlagenen Revision des europäischen Arzneimittelgesetzes. Dort könnten wir idealerweise festschreiben, dass eine Therapie mit Antibiotika nur mit vorhandener Diagnostik durchgeführt werden darf.
Außerdem unterstützte ich die Idee über direkte Anreize, wie den vorgeschlagenen Voucher, das Forschen an neuen Antibiotika zu fördern. Im Moment rechnet sich die Entwicklung neuer Antibiotika für die Industrie nicht, weil sie sehr teuer ist und diese dann aufgrund der zu Recht strengen Regeln nicht oft verkauft werden können. Hier müssen wir ein besseres System finden“, so der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion.