Krebsprävention

EU-Vergleich: Rote Laterne für Deutschland bei Tabakkontrolle

Nicht nur Onkologen, auch Gesundheitspolitiker machen sich für eine stärkere Rauchprävention in Deutschland stark. Die Zahlen des Tabakatlas 2020 zum tabakassoziierten Krankheitsgeschehen sollen als Weckruf dienen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Qualmkunst? Noch immer greifen aus Sicht von Onkologen und Gesundheitspolitikern in Deutschland zu viele Menschen zur Kippe.

Qualmkunst? Noch immer greifen aus Sicht von Onkologen und Gesundheitspolitikern in Deutschland zu viele Menschen zur Kippe.

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Heidelberg/Berlin. Deutschland ist im europäischen Vergleich weiter Schlusslicht in puncto Tabakkontrolle. Daher müsse vor allem von der gesundheits- wie auch fiskalpolitischen – und damit letzten Endes von der gesetzgeberischen – Seite her an entsprechenden Stellschrauben wie Tabaksteuererhöhungen und stärkeren Nichtraucherschutzgesetzen gedreht werden, um die Raucherprävalenz in der Bevölkerung weiter zu senken.

Zusätzlich müsse mehr in die Rauchprävention – auch zum Beispiel bei Krebspatienten – investiert werden. So lautete am Dienstag der Konsens bei der Vorstellung des „Tabakatlas 2020“, am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

Im Norden und Osten mehr Qualm

Demzufolge rauchen in Deutschland noch immer 26,4 Prozent der Männer und 18,6 Prozent der Frauen sowie 6,0 Prozent der Jungen im Alter von 12 bis 17 Jahren und 5,2 Prozent der gleichaltrigen Mädchen. Dabei sei die Raucherprävalenz im Norden und Osten der Republik höher als im Süden und Westen. Und: Angehörige bildungsfernerer Schichten steigen eher in die Raucherkarriere ein als formal gut ausgebildete Menschen.

In Deutschland ist etwa jede fünfte Krebsneuerkrankung eine Folge des Rauchens – jährlich sind dies etwa 85.000 Krebsfälle, die vermeidbar wären.

Professor Michael Baumann, DKFZ-Vorstandsvorsitzender

Wie DKFZ-Vorstandsvorsitzender Professor Michael Baumann ins Gedächtnis rief, seien in Deutschland fast 40 Prozent aller Krebsfälle als Folge vermeidbarer Risikofaktoren zu werten. Das Rauchen sei unter diesen der bedeutendste Krebsrisikofaktor:

„In Deutschland ist etwa jede fünfte Krebsneuerkrankung eine Folge des Rauchens – jährlich sind dies etwa 85.000 Krebsfälle, die vermeidbar wären, wenn die Menschen nicht rauchen würden“, betonte Baumann.

Besserung ist bei einem Verharren im Status quo nach Einschätzung von Dr. Katrin Schaller, Kommissarische Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention und des WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle im DKFZ, angesichts des Demografiewandels in Deutschland nicht in Sicht. Das würde dann auch zu einer weiteren Zunahme der diesbezüglichen – präventablen – Gesundheitskosten im Zusammenhang unter anderem mit onkologischen Fällen führen.

„Tabakkontrolle hat daher enormes Potenzial für die Krebsprävention“, pflichtete ihr Baumann bei. Er betonte, dass der Rauchstopp selbst bei Krebspatienten noch Wirkung zeige – im Rahmen beispielsweise der Tertiärprävention zur Verhinderung von Rezidivbildungen.

Stillstand bei der Tabakkontrolle?

Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, widersprach in ihrer Stellungnahme zum Tabakatlas 2020 dem von der DKFZ-Seite erhobenen Vorwurf des politischen Stillstands in puncto Tabakkontrolle – und verwies auf Dynamik in selbigem Prozess. „Wir haben in den letzten Jahren bei der Tabakprävention viel erreicht! Dennoch müssen wir weiter aktiv daran arbeiten, Menschen vom Rauchen abzubringen. Durch gezielte und weitere Maßnahmen möchte ich erreichen, dass wir Raucher beim Rauchstopp noch besser unterstützen. Dazu muss auch die Politik das Thema Rauchentwöhnung höher auf die Agenda setzen und zur Selbstverständlichkeit eines jeden behandelnden Hausarztes oder Facharztes machen“, so Ludwig.

Damit rennt die Drogenbeauftragte in Heidelberg offene Türen ein. Wie zum Beispiel Professor Ute Mons von der Stabsstelle Krebsprävention des DKFZ betonte, seien gerade für Raucher aus sozio-ökonomisch schwierigen Verhältnissen niedrigschwellige Angebote für eine Rauchentwöhnung zwingend erforderlich – und zwar flächendeckend. Realität ist aber, dass es die Tabakentwöhnung auf Kasse in Deutschland nicht mehr gibt – wegen des Lifestyle-Paragrafen im SGB V. Bestimmungen dort verhindern das, weil dort Arzneimittel zur Linderung des Entzugssyndroms Lifestyle-Medikamenten zugeordnet werden, die „lediglich der Erhöhung der Lebensqualität dienen“.

Zu früh für Harm Reduction

Auf Nachfrage der „Ärzte Zeitung“ hielt Mons Deutschland noch nicht reif dafür, parallel zur Prävention auch den Ansatz der Harm Reduction – und damit der Aufklärung über im Vergleich zu konventionellen Tabakzigaretten potenziell weniger schädlichen Alternativen wie E-Zigaretten oder Tabakerhitzern – zu verfolgen. Die Harm Reduction könne dann in den Fokus rücken, wenn bei der Tabakkontrolle alle Register gezogen seien, so Mons mit Verweis auf Großbritannien, wo dies der Fall sei.

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