Kommentar
Eine Schande für ein wohlhabendes Land
In Großbritannien verordnen Ärzte Dinge des täglichen Bedarfs, weil sich Patienten diese nicht mehr leisten können.
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Zahnpasta, Shampoo, Babynahrung, Multivitaminpräparate – Artikel des täglichen Bedarfs, die für gewöhnlich in Supermärkten oder anderen Geschäften erstanden werden. In Großbritannien hat sich das offenbar in den vergangenen Jahren und besonders nach der COVID-Pandemie geändert. Immer mehr britische Hausärztinnen und Hausärzte greifen zum Rezeptblock, um ihren Patienten genau diese eingangs genannten Artikel zu verordnen. Auf diese Art und Weise bekommen arme und sozialschwache Patienten Zahnpasta und Co gratis in der Apotheke.
Was ist los im Vereinigten Königreich? Die Armut ist los. Beziehungsweise die Armut hat inzwischen ganz offenbar erschreckende Dimensionen erreicht. Dimensionen, in denen sich Primärmedizinerinnen und -mediziner genötigt sehen, Patienten zu verordnen, was normalerweise nichts mit Rezepten zu tun hat. Was für eine Schande für ein wohlhabendes Land wie Großbritannien!
Nun lässt sich debattieren, ob Hausärztinnen und Hausärzte wirklich Zahnpasta verschreiben sollten. Das Londoner Gesundheitsministerium sagt nein, lässt aber Schlupflöcher. Vermutlich in der (berechtigten) Annahme, dass ohne die Fürsorgepflicht der Hausärztinnen und Hausärzte tausende Patientinnen und Patienten eben keine Zähne mehr putzen, keine Haare mehr waschen und auch sonst keine Körperpflege mehr betreiben würden.
Wie weit ist es in diesem Land inzwischen gekommen? Eine Frage, auf die Sozialpolitiker schnellstmöglich eine Antwort finden müssen. Bis das geschieht: gut, dass es da zumindest die rund 50.000 staatlichen Hausärztinnen und Hausärzte gibt, die helfen, wo derzeit traurigerweise so dringend Hilfe benötig wird.Schreiben Sie dem Autor: gp@springer.com