Der Standpunkt zum Krebsplan-Umsetzungsgesetz

Eine Strategie gegen den Krebs?

Ein systematischer Kampf gegen Krebs in Deutschland ist notwendig, daher ist das Krebsplan-Umsetzungsgesetz überfällig, meint Helmut Laschet. Doch allzu hohe Erwartungen und Hoffnungen seien fehl am Platz.

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Der Autor ist stellv. Chefredakteur und Ressortleiter Gesundheitspolitik bei der Ärzte Zeitung. Schreiben Sie ihm: helmut.laschet@ springer.com

Mit dem vor wenigen Tagen präsentierten Entwurf für ein Krebsplan-Umsetzungsgesetz hat das Bundesgesundheitsministerium aufgrund langjähriger Vorarbeiten ein Instrumentarium entwickelt, mit dem der Kampf gegen Krebs in Deutschland systematisiert werden soll. Dieser Schritt war überfällig. Gleichwohl sind übersteigerte Hoffnungen wenig berechtigt.

Ein "zentrales Handlungsfeld", so heißt es im Entwurf, ist die Krebsfrüherkennung. Mal abgesehen davon, dass es solche Programme nur für wenige Krebsarten gibt, zeigt die Praxis der Prävention hohe Hürden für ihre Wirksamkeit: Trotz gewaltigen öffentlichen Wirbels verharrt die Inanspruchnahme der Vorsorge-Koloskopie auf niedrigem Niveau.

Bei der Erkennung des Prostata-Ca scheint der Finger des Arztes immer noch das in Sensitivität und Spezifität akzeptabelste Diagnostikum zu sein. Die Teilnahmeraten am Mammografie-Screening verharren mit etwa 50 Prozent weit unter der Ziellinie von 70 bis 80 Prozent.

Weder ist das Risiko des grauen Screenings gebannt noch die Problematik falsch-positiver Befunde gelöst. Zur Realität gehört auch, dass Früherkennung keinen Effekt auf die gesamte Lebenserwartung hat.

Ein wirklicher Schritt nach vorn ist die Errichtung einheitlicher Krebsregister und die Absicherung ihrer Finanzierung durch die Krankenkassen. Endlich schließt der Gesetzgeber eine blamable epidemiologische Lücke. Ein Nutzen ist freilich erst in ferner Zukunft zu erwarten.

Was bleibt realistischerweise? Krebsinzidenz und -prävalenz werden in einer alternden Gesellschaft zunehmen. Für Grundlagenforscher und Onkologen ist der Kampf gegen Krebs zu einem Multi-Fronten-Partisanenkrieg geworden - nicht selten entpuppt sich manche gewonnene Schlacht als Pyrrhussieg.

Oft mit verheerenden Kollateralschäden, wie dies der amerikanische Onkologe Siddhartha Mukherjee in seinem Buch "Der König aller Krankheiten" eindrucksvoll beschrieben hat. Dieses Buch ist eine Warnung vor Dogmen und Euphorie, aber auch vor Fatalismus. Es gibt keinen Königsweg im Kampf gegen Krebs.

Lesen Sie dazu auch: Schwarz-Gelb will mehr Prävention wagen

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Kommentare
? 17.07.201212:22 Uhr

Per E-Mail schrieb Dierk Meyer-Lüerßen

Lieber Herr Laschet,

mit großer Freude habe ich Ihren obigen Kommentar gelesen, dem ich voll zustimme. Ich selbst habe lange versucht, mit Ärzteschaft und GKV das Thema qualitätsgesicherte Prävention zu diskutieren mit dem Ziel, ähnlich wie bei dem Brustkrebsscreening z.B. im Bereich Prostata zu qualitätsgesichertem Verfahren zu gelangen, leider ohne jede Resonanz. Insofern sehe ich gewisse Hoffnungen durch das vorgesehene Präventionsgesetz, hier die Diskussion zu beleben und über den G-BA in die richtige Richtung zu lenken.
Zur Zeit beobachte ich einen ziemlichen Wildwuchs gerade im Bereich des Darmkrebsscreenings, dem hoffentlich bald ein Ende gesetzt wird. Hier wird – unter Beteiligung der ÄZ als Medienpartner – von Aktionsbündnissen (Düsseldorf und KKen) und Stiftungen (Burda, Lebensblicke) massiv für die Durchführung eines immunologischen Tests der Firma Care geworben, teilweise wird von einem Modellvorhaben gesprochen, das noch genehmigt werden müsse. Dieser Test ist nach einer eigenen Studie, die Dr. Brenner von der Stiftung Lebensblicke mit Herrn Faure, dem Geschäftsführer von Care veröffentlicht hat , nicht besser als der Gujak-Test. Eine schlüssige Erklärung, warum nur der Care-Test propagiert wird und nicht den Ärzten überlassen wird, welchen der vielen konkurrierenden Tests sie unter Qualitätsaspekten einsetzen wollen, kenne ich nicht. Vielmehr hat mir Dr. Brenner in einem Gespräch versichert, sie seien wettbewerbsneutral. Die Werbemaßnahmen zeigen das allerdings nicht.
Ich halte Präventionsmaßnahmen für sinnvoll, wenn sie qualitätsgesichert und wettbewerbsneutral durchgeführt werden. Es wäre schön, wenn das Präventionsgesetz in diesem Sinne gestaltend eingriffe.

Beste Grüße
Dierk Meyer-Lüerßen

Dr. Thomas Georg Schätzler 14.07.201213:01 Uhr

Verkorkstes Krebsplan-Umsetzungsgesetz

"Krebsplan-Umsetzungsgesetz" klingt nicht nur verkorkst. Es konterkariert auch das, was der Onkologe Siddhartha Mukherjee mit seinem Buch "Der König aller Krankheiten" sagen will: Krebserkrankungen gehören zu unserem Leben, sie sind ubiquitär. Sie reflektieren die gestiegene Lebenserwartung, das Zurückdrängen anderer medizinisch beherrschbarer Krankheiten und die medizinisch-medial erhöhte Aufmerksamkeit, wenn unsere Patientinnen und Patienten vermehrt an Tumorerkrankungen leiden.

Die Krebsfrüherkennung als "zentrales Handlungsfeld" ist zweischneidig: Einerseits werden Krebserkrankungen dann wesentlich früher diagnostiziert, andererseits wird die Überlebensrate dadurch oft nur scheinbar verlängert.

Das Fehlen einheitlicher Krebsregister und deren Finanzierung durch die Krankenkassen sind neben den immer noch unzureichenden Mitteln für Grundlagen-, Anwendungsforschung, kurative Krebsheilung und palliative Therapie in den universitären Zentren wie im ländlichen Raum weiterhin skandalös. Richtig blamabel sind die epidemiologische Lücken, die mangelnde Versorgungsforschung und die mangelnde Compliance bzw. Adhärenz bei allen Beteiligten. Dass der Gesetzgeber hier eine Lücke schließen muss, ist auf jahrzehntelange Versäumnisse bei der Evaluation und Dokumentation von Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Palliation zurückzuführen. Beispiele von Präventions- und Versorgungswirrwarr sind unter "Schwarz-Gelb will mehr Prävention wagen"
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/praevention/?sid=817725
dargestellt.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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