Es mangelt nicht an Motivation
Die Labour-Partei steht unter Druck, den National Health Service zu modernisieren. Aber schnelle Erfolge sind nicht in Sicht.
Veröffentlicht:Alle Jahre wieder kursieren meist zur Winterzeit die Horror-Meldungen über Missstände in den staatlichen britischen Krankenhäusern. Britische Gesundheitspolitiker sind dann meist flink zur Stelle und weisen darauf hin, dass die Einweisungszahlen witterungsbedingt enorm hoch seien. Und die Kliniken des staatlichen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS eben nicht dafür ausgelegt. So geschehen auch in diesem Jahr. Und dennoch unterscheidet sich die Versorgungslage in diesem Jahr von der der Vorjahre. Zum einen regiert seit dem vergangenen Sommer mit der Labour Partei eine Partei, die sich im Wahlkampf mit großen Versprechungen, den NHS radikal modernisieren und verbessern zu wollen, den Wählerinnen und Wählern empfahl. Und zum zweiten wird das britische Gesundheitsministerium seit dem Sommer mit Wes Streeting von einem Mann geführt, der in Westminster eher als Mann der Taten statt der großen Worte bekannt ist.
An Taten und gesundheitspolitischen Initiativen mangelt es seit der Amtsübernahme durch Labour nach rund 14 Jahren konservativer Regierungen sicherlich nicht. Investitionen in die teils längst überholte IT oder die Einrichtung von Express-OP-Kliniken, die sich auf Routineeingriffe wie Hüftgelenksoperationen spezialisieren und so dafür sorgen sollen, die Zahl der Millionen auf eine OP wartenden NHS-Patientinnen und Patienten rasch zu reduzieren – Labours Gesundheitspolitik ist gewiss nicht träge.
Deutliche Unterfinanzierung
Freilich sind es die falschen Prioritäten, die Mister Streeting hier gesetzt hat und weiter setzt. Zu seiner Verteidigung muss man an dieser Stelle anfügen, dass der Minister und Labour generell unter enorm großen Erfolgsdruck stehen. Labour muss in den Augen der britischen Wählerinnen und Wählern liefern, was im Wahlkampf versprochen wurde. Und ein zentrales Versprechen lautete: die NHS-Wartelisten von rund sieben Millionen Patientinnen und Patienten zu reduzieren.
Was schön und gut und sicherlich auch lobenswert ist. Nur wird es die akute Versorgungskrise besonders in der Unfall- und Notfallmedizin nicht bessern. Die ist seit Jahrzehnten deutlich unterfinanziert. Das ging so lange gut, wie nicht wie jetzt jährlich zehntausende Extra-Patienten, die eigentlich besser in sozialen Einrichtungen aufgehoben wären, zur kalten Jahreszeit in die Staatskliniken strömen, weil anderswo kein Platz für sie ist. Genau dort aber muss der Hebel angesetzt werden: soziale Hilfsangebote verbessern, um die Kliniken zu entlasten. Ärzteverbände auf der Insel sehen das übrigens ganz ähnlich.