Impf-Aktionswoche

Experten fordern: Ärzte sollten Ungeimpfte aktiv ansprechen

Eine Corona-Impfquote von 86 Prozent ist möglich, zeigen Berechnungen. Dafür müsse die Ansprache der Impfunwilligen geändert werden, betonen Fachleute zum Start der bundesweiten Impf-Aktionswoche am Montag. Nicht die Politiker, sondern Ärzte sollten versuchen, die kursierenden Falschinformationen über das Impfen zu korrigieren.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Ein mobiler Impfbus steht zum Auftakt der Impfwoche gegen SARS-CoV-2 auf einem Supermarktparkplatz in der Region Hannover.

Ein mobiler Impfbus steht zum Auftakt der Impfwoche gegen SARS-CoV-2 auf einem Supermarktparkplatz in der Region Hannover.

© Julian Stratenschulte / dpa

Berlin. Aktuelle Zahlen der COSMO-Studie (COVID-19 Snapshot Monitoring) der Universität Erfurt legen nahe, dass in Deutschland bis zu 86 Prozent der Einwohner geimpft werden könnten. Stand Montag liegt der Wert bei 62,2 Prozent vollständig geimpften. Weitere vier Prozent sind bereits einmal geimpft.

Laut der Untersuchungen in Erfurt sind von den bislang Ungeimpften rund 20 Prozent impfbereit, weitere 24 Prozent noch unentschieden und 56 Prozent strikt gegen die Corona-Impfung, berichtete Studienleiterin Professor Cornelia Betsch bei einer Veranstaltung des ScienceMediaCenters am Montag.

Impfverweigerung aus Protest

Die Ungeimpften seien ausweislich der Befragung mit Stand 7. September überwiegend jünger, eher weiblich, haben eher Kinder, verfügen über eher niedrige Bildung, kennen eher niemanden, der an COVID-19 erkrankt ist und sind eher arbeitslos.

Migranten glaubten weniger an die Wirksamkeit der Impfung als Eingesessene. Etwa 18 Prozent der bislang noch nicht Geimpften sehen in ihrer Haltung die Möglichkeit, Unzufriedenheit mit der Politik auszudrücken.

Impfverweigerer äußerten mehr Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Corona-Impfungen, sagte Cornelia Betsch. Sie sähen in der Pandemie keine Bedrohung. Zudem sei die Tendenz zum „Trittbrettfahren“ in dieser Gruppe höher. Bei den noch Unentschlossenen gebe es ebenfalls die Neigung zum Trittbrettfahren.

Zudem wögen sie viele Informationen ab und zweifelten an der Sicherheit der Impfungen. Ihnen gehe zudem das Gefühl ab, einen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten zu können.

Misstrauen gegenüber Politik

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiesen auf das verbreitete Misstrauen gegenüber Politikeräußerungen hin. Die Informationen über die Corona-Impfung sollten daher von der politischen Sphäre entkoppelt werden. Eine Schlüsselrolle dabei wies Cornelia Betsch den niedergelassenen Ärzten zu. „Die Menschen wollen von Ärzten informiert werden“, sagte sie.

Die Niedergelassenen könnten ihre Karteien auf Ungeimpfte durchforsten und sie aktiv ansprechen. Eventuell könnten Medizinstudierende die Ärzte bei solchen Aktionen unterstützen.

„Impfskepsis ist so ansteckend wie Impfbereitschaft“, sagte die Verhaltensökonomin Dr. Katrin Schmelz von der Universität Konstanz. Politiker, die im Vorfeld der Impfwoche von einem Stocken der Impfkampagne gesprochen hätten, hätten damit bei Impfverwiegern das Gefühl ausgelöst, Recht zu behalten. Schmelz empfahl, auf die positiven Entwicklungen abzuheben.

Immerhin hätten sich in den vergangenen beiden Wochen eine Million Menschen in Deutschland die erste Impfung abgeholt. „Die Kampagne stockt nicht“, sagte die Wissenschaftlerin.

Informationsvermittlung auf dem Prüfstand

Die in der Öffentlichkeit auftretenden Politiker sollten die Impf-Aktionswoche nutzen, um an Menschen heranzutreten, die von sich aus keine Informationen suchten, sagte Felix Rebitschek vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Die aktuelle Plakatierung spreche eher die Impfbereiten an.

Eine Möglichkeit sei, über die gemieteten Flächen Schlüsselinformationen zur Impfung in verschiedenen Sprachen zu verbreiten. Zudem sollten Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Vereine Mitglieder ganz gezielt und aufsuchend informieren. Mit Blick auf die anstehenden Auffrischungsimpfungen empfahl Rebitschek, schon jetzt dafür zu werben, dass eine individuelle Entscheidung für das Impfen zum Erfolg der Allgemeinheit beitrage.

Sich impfen zu lassen, bleibe eine „freie Entscheidung“ betonte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Auftakt der Aktionen im Gespräch mit dem Westdeutschen Rundfunk. Gleichzeitig verteidigte er das Ende der kostenlosen Corona-Tests und Beschränkungen für Ungeimpfte bei der sozialen Teilhabe.

Wer sich nicht impfen lassen wolle, müsse die Konsequenzen tragen, sagte Spahn. Mit der bevorstehenden Schließung der Impfzentren werde der Schwerpunkt der Kampagne auf die mobilen Teams übergehen, die gezielt vor Ort auf die Menschen zugehen würden.

Hören Sie auch:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berücksichtigung von Lebensstilfaktoren

Darmkrebsprävention mit ASS – wer davon profitieren könnte

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Kommentare
Carl Billmann, Leiter der Stabsstelle IT, Marketing & Kommunikation bei BillmaMED, Medizinstudent mit dem Berufsziel Dermatologe.

© Doctolib

Interview

„Am Empfang haben wir Stress rausgenommen“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Die Patientin tippt ihre Nachricht ins Smartphone, das Praxisteam antwortet direkt über
den Desktop. So sind Vereinbarungen über ein E-Rezept oder eine Befundmitteilung vom Facharzt schnell übermittelt.

© [M] Springer Medizin Verlag | Foto: A_B_C / stock.adobe .com

Digitale Patientenkommunikation

„Das Potenzial für die Zeitersparnis ist riesig“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Nach dem Crash

Ampel-Aus: Gesundheitsreformen stehen auf der Kippe

Lesetipps
Frauen, die vor der 24. Schwangerschaftswoche einen Abort erleiden, können künftig auf weiteren Mutterschutz hoffen.

© Thomas Trutschel / photothek / picture alliance

Empfehlung an den Bundestag

Petitionsausschuss setzt sich für gestaffelten Mutterschutz ein

Blick auf einen Sehnerv mittels Optischer Kohärenztomografie

© RFBSIP / stock.adobe.com

NAION-Risiko

Hinweise auf Durchblutungsstörungen am Auge bei Behandlung mit Semaglutid