Freigabe weiter umstritten

FDP-Politikerin verteidigt Cannabis-Pläne gegen Kritik

Vor der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags wird erneut scharfe Kritik an der geplanten Teil-Legalisierung von Cannabis laut. Die Bundesärztekammer spricht von einer „drogenpolitischen Bankrotterklärung“, die FDP verteidigt die Pläne.

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Berlin. Die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke, hat die geplante Cannabis-Freigabe in Deutschland gegen anhaltende Kritik verteidigt. Die Verbotspolitik sei gescheitert, es brauche einen Paradigmenwechsel, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Hintergrund sind kritische Stellungnahmen verschiedener großer Verbände aus Polizei, Justiz und Medizin zu dem Vorhaben. An diesem Montag findet im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine Anhörung dazu statt.

BÄK: „Kein ernstzunehmender Jugendschutz“

Auch die Bundesärztekammer hatte im Vorfeld der Anhörung ihre Kritik an der geplanten Teil-Legalisierung bekräftigt. BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt sagte: „Der Bundestag würde den Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland einen großen Dienst erweisen, wenn er dieses Gesetz durchfallen lässt. Was wir brauchen, ist eine verantwortungsbewusste Drogenpolitik, die den Fokus auf kluge und gezielte Präventionsstrategien und die Förderung von Interventionsprogrammen legt.“ Bei den aktuellen Plänen handle es sich dagegen um eine „drogenpolitische Bankrotterklärung“.

„Cannabis wird auch jetzt bereits konsumiert“, sagte Lütke und verwies darauf, dass Schwarzmarktprodukte oft verunreinigt und mit gefährlichen Substanzen gestreckt seien. Sie nannte etwa Haarspray, Blei oder synthetische Cannabinoide. Geplant seien mehr Aufklärung und Prävention und der Zugang zu Cannabis zu Genusszwecken aus Eigenanbau oder aus Clubs mit kontrollierter Herkunft und Qualität, „um den illegalen Bezug vom Schwarzmarkt zurückzudrängen“.

SPD, Grüne und SPD wollen nach derzeitigen Plänen noch vor dem Jahreswechsel ihr Gesetz zur Teil-Legalisierung von Cannabis im Bundestag beschließen. Cannabis soll demnach im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen werden. Für Volljährige ab 18 soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat sollen maximal drei Pflanzen angebaut werden dürfen. In Cannabis-Clubs sollen Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.

Warnung vor schwerwiegenden Auswirkungen auf Jugendliche

Auch weitere Verbände hatten bereits Kritik an den Plänen deutlich gemacht und in Stellungnahmen ausgeführt. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) äußerte die Befürchtung, dass die im Gesetz vorgesehenen Schutzmaßnahmen „ins Leere“ liefen.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie hält die geplante Altersgrenze für den Zugang zu Cannabis mit 18 Jahren für zu niedrig, „da die Gehirnentwicklung in der Regel bis Mitte 20 noch nicht abgeschlossen ist“. Bis dahin solle die Droge unter anderem wegen eines erhöhten Psychoserisikos nicht konsumiert werden, so der Verband.

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Die Grenze zwischen Pro und Kontra verläuft aber auch fließend. Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin bewertet die „Ansätze zur Entkriminalisierung von Konsumenten“ im Gesetz als positiv. Der Verband warnt aber auch davor, dass durch die Freigabe die Zahl der Personen mit Intoxikationen oder Intoxikationspsychosen deutlich zunehmen könnte.

Die Bundespsychotherapeutenkammer weist ebenfalls auf die Gefahren des Drogen-Konsums unter 25 Jahren wegen der noch nicht abgeschlossenen Gehirnentwicklung hin. Sie bezeichnet aber die Altersgrenze von 18 Jahren und die Vorgabe, dass Cannabis-Clubs nur weniger potentes Cannabis an unter 21-Jährige abgeben dürfen sollen, als „guten Kompromiss (...) zwischen einem vertretbaren Gesundheitsrisiko für das noch nicht ganz ausgereifte Gehirn und der Verhinderung, dass der Cannabisgebrauch ab dem durchschnittlichen Einstiegsalter von circa 15 Jahren zu lange verheimlicht oder tabuisiert wird“. (dpa/eb)

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