Patientenrechte
FDP kippt Härtefallfonds
Patienten, die lange auf einen Prozess wegen eines Arztfehlers warten, werden auch künftig finanziell nicht unterstützt. Die Idee des Härtefallfonds ist vom Tisch. Der Patientenbeauftragte Zöller gibt aber nicht auf.
Veröffentlicht:BERLIN. Einen Härtefallfonds wird es im Patientenrechtegesetz nicht geben. Das ist "vom Tisch", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums der "Ärzte Zeitung".
Das Gesundheitsministerium wies allerdings Vorwürfe zurück, der Fonds sei am Widerstand der Gesundheitsminister Daniel Bahr und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberge (beide FDP) gescheitert.
Vielmehr habe es "keinen konkreten Vorschlag für den Fonds gegeben." Der vorliegende Gesetzesentwurf solle in der kommenden Woche weitgehend unverändert beschlossen werden, hieß es.
Zöller will weiter kämpfen
Mit der Entscheidung haben sich Bahr und Leutheusser-Schnarrenberger gegen die Regierungspartner aus der Union durchgesetzt. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU), hatte sich seit Beginn des Gesetzgebungsverfahrens für einen Härtefallfonds stark gemacht.
Er will auch weiter für den Fonds kämpfen: "Für Patienten und auch für Ärzte wäre ein sogenannter Härtefallfonds sicher grundsätzlich wünschenswert. Deswegen prüfen wir derzeit alle Möglichkeiten", sagte Zöller der "Ärzte Zeitung".
Allerdings müssten noch viele Fragen geklärt werden, so Zöller weiter. Dazu gehöre, wer Einzahler in den Fonds werde, unter welchen Bedingungen ausgezahlt wird und welchen Rechtsanspruch es auf Leistungen gebe. "Diese Prüfung läuft parallel zum Gesetzgebungsprozess. Sie darf ihn nicht aufhalten - denn das wäre von Nachteil für alle Patienten", erklärte Zöller.
Die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, erklärte, der Härtefallfonds sei nicht an der FDP gescheitert, "sondern an sich selbst".
Laut einer Mitteilung aus ihrem Büro hätten "ein paar wenige Unionspolitiker" einen Härtefallfonds ins Gespräch gebracht, konzeptionelle Impulse aber nicht beigesteuert.
"Ganz offensichtlich konnten auch in der Union die vielen offenen Punkte, von der Finanzierung eines solchen Fonds bis hin zur Frage nach der Ausgestaltung einer geeigneten Bewilligungsinstanz, nicht geklärt werden."
Opposition kritisiert
Auch die Opposition war für einen Fonds eingetreten - die Nachricht über das Ende des Fonds wird harsch kritisiert.
"Einmal mehr wird deutlich, dass es sich beim Patientenrechtegesetz um ein politisches Placebo handelt, das den Betroffenen keinen Fortschritt und keine durchgreifenden Verbesserungen bringen wird", erklärte SPD-Politikerin Carola Reimann auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".
Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses sieht schwer kranken Patienten als die Leidtragenden der Entscheidung. "Das sind gerade diejenigen, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind und häufig nicht die Kraft und Lebenszeit haben, sich ihr Recht vor Gericht zu erstreiten", so Reimann.
Die SPD hatte einem Änderungsantrag erklärt, der Fonds solle eintreten, wenn es "keinen sicheren Nachweis der Schadensursache oder des Verschuldens gebe. Diese Formulierung hatten Rechtswissenschaftler sogar als zu schwach angesehen.
Besser sei, wenn der Fonds den Patienten helfen würde, wenn eine "überwiegende Wahrscheinlichkeit" für einen Behandlungsfehler spräche der dafür, dass das Leiden eines Patienten auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen sei.
"Nur noch eine Textansammlung"
Eugen Brysch von der Deutschen Hospiz Stiftung wirft der Bundesregierung vor, aus einem Patientenrechtegesetz "nur noch eine Textsammlung aus bestehender Rechtsprechung" übrig zu lassen.
"Wenn es um Patientenrechte von Schwerkranken geht, dann ist es mit dem Einsatz für Bürgerrechte in der FDP schnell vorbei", so Brysch in einer Mitteilung.
"Weder wollen sie die Beweislastumkehr, noch den Notnagel in Form des Härtefallfonds einführen."
Brysch rechnete vor, dass der Härtefallfonds mit einer finanziellen Ausstattung von 60 Millionen Euro pro Versicherten etwa 73 Cent kosten würde.
Jeder dritte Verdachtsfall ist tatsächlich Behandlungsfehler
Über die Einrichtung eines Fonds war diskutiert worden, weil sich Arzthaftungsprozesse meist sehr lange hinziehen, selbst wenn ein Behandlungsfehler nicht ausgeschlossen werden kann.
Der Fonds wäre Neuland im deutschen Rechtssystem. Die Justizministerin hatte dagegen argumentiert, dass jeder, auch Ärzte, individuell für seine Fehler haften müsse. Die Haftung wirke daher auch präventiv.
Zwei Drittel, nämlich 8509 der 12.686 Behandlungsfehlervorwürfe, die der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) im Jahr 2011 erhob, richteten sich gegen Krankenhäuser (67 Prozent).
Nur rund ein Drittel - 4177 Fälle - richteten sich gegen niedergelassene Ärzte (33 Prozent). Bei nahezu jedem dritten Fall (32,1 Prozent) kamen die Gutachterinnen und Gutachter des MDK zu dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler vorliegt.
In drei von vier bestätigten Fällen (75,1 Prozent) wiederum, sahen die MDK-Gutachter es als gegeben an, dass der Behandlungsfehler für den gesundheitlichen Schaden verantwortlich ist. Das Patientenrechtegesetz kodifiziert die geltende Rechtsprechung.
Kern ist die Verankerung des Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient im Bürgerlichen Gesetzbuch.
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