Studie des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock

Fast jeder Totenschein ist fehlerhaft – viele sogar mehrfach

Eine Studie der Uni Rostock zeigt: Die Fehlerquote in Totenscheinen ist erschreckend hoch. Die Studienautoren fordern eine neue Praxis. Ärzten pauschal mangelnde Sorgfalt vorzuwerfen, sei zu kurz gegriffen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Hohe Fehlerquote bei Totenscheinen

Hohe Fehlerquote bei Totenscheinen

© Arteria Photography

ROSTOCK. Todesbescheinigungen sind nur in zwei Prozent der Fälle fehlerfrei. Rund ein Viertel der Bescheinigungen weisen sogar mindestens einen schwerwiegenden Fehler auf. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock, die 10.000 Todesbescheinigungen des lokalen Krematoriums ausgewertet hat.

Für den Zeitraum August 2012 bis Mai 2015 hat ein Team um Rechtsmediziner Dr. Fred Zack bei 10.000 Todesbescheinigungen 3116 schwerwiegende und 35.736 leichte Fehler festgestellt. Die Studienergebnisse wurden nun in der Zeitschrift "Rechtsmedizin" des Springer Medizin Verlages veröffentlicht.

Als häufigsten schweren Fehler entdeckten die Rostocker Rechtsmediziner eine nicht mögliche Kausalkette bei der Todesursache, gefolgt von der Nichterreichbarkeit des Leichenschauarztes durch fehlende Angaben zu seiner Person und von dem fehlenden Vermerk sicherer Todeszeichen. Laut Studie unterlaufen mehr als 50 Prozent der Ärzte mindestens vier leichte Fehler pro Todesbescheinigung.

Die Fehlerhäufigkeit hat die Rostocker Rechtsmediziner nach eigener Aussage überrascht. Einen Grund für die hohe Fehlerzahl sehen sie in der unter Ärzten unbeliebten Tätigkeit. "Für zahlreiche Ärzte ist die Leichenschau ein notwendiges Übel (...). Dementsprechend ist die Zuwendung zum verstorbenen Menschen häufig unzureichend", heißt es in einer Pressemitteilung der Rostocker Universität.

Auch hätten viele Ärzte Probleme, weil für das Ausstellen einer Todesbescheinigung gleich mehrere Gesetze und Vorschriften zu berücksichtigen seien.

Zack hält es aber für zu kurz gegriffen, Ärzten bei diesem Thema pauschal mangelnde Sorgfalt vorzuwerfen: "Es sind keine Spezialisten am Werk. Wenn ein niedergelassener Arzt zweimal im Jahr zu einer Leichenschau gerufen wird, stellt sich kaum eine Routine ein."

Er plädiert für eine geänderte Praxis der ärztlichen Leichenschau in Deutschland mit spezialisierten Ärzten oder medizinisch geschulten Spezialisten, die die Leichenschauen außerhalb der Kliniken künftig berufsmäßig durchführen sollten. Die Todesbescheinigung sollte zudem nicht unverzüglich, sondern innerhalb von zwölf Stunden ausgestellt werden. Innerhalb dieser Zeitspanne könne der behandelnde Arzt kontaktiert oder ein Rechtsmediziner befragt werden. Außerdem regt Zack mehr Sektionen an. Denn jede zweite Leichenschaudiagnose wird nach einer Sektion korrigiert – die derzeitige amtliche Todesursachenstatistik bezeichnete Zack deshalb als "Augenwischerei".

In Deutschland gibt es je nach Bundesland unterschiedliche Todesbescheinigungen und Bestattungsgesetze. Zack strebt bundeseinheitliche Todesbescheinigungen an. Zum 1. August hatte Bremen wie berichtet als erstes Bundesland zwingend die qualifizierte Leichenschau bei jedem im Land verstorbenen Menschen eingeführt. Seitdem dürfen Leichenschauen nur noch von dafür besonders qualifizierten Ärzten vorgenommen werden. Derzeit ist dies ein Arzt des Instituts für Rechtsmedizin und bis Ende des Jahres ein Arzt des Gesundheitsamtes. Andere Ärzte können sich über ein Curriculum, das derzeit noch erarbeitet wird, dafür qualifizieren.

"Rechtsmedizin" DOI 10.1007/s00194-017-0193-7

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Kommentare
Jan SULIK 06.09.201706:26 Uhr

Mehr Sorgfalt bitte

Kausalketten und Todesursachen sind sicher ein Kapitel für sich. Grundsätzlich jedoch scheinen sich viele leichenschauende Ärzte gar nicht der Tatsache bewusst zu sein, dass sie mit dem Leichenschauschein ein amtliches Dokument ausfüllen. Leserlichkeit und Vollständigkeit lassen (nach eigener tagtäglicher schmerzhafter Erfahrung) sehr oft zu wünschen übrig. Den Ärger und die Mehrarbeit haben i.d.R. die Hinterbliebenen, resp. diejenigen (Bestatter, Beauftragte, Behördenmitarbeiter etc.), die sich um die rechtssichere Korrektur/Ergänzung der Urkunde kümmern müssen, welche meist nur durch den ausstellenden Arzt erfolgen darf. U.U. verzögert sich dadurch sogar die Bestattung, wenn Ämter oder Behörden den mangelhaften Schein zurückweisen.
Am derzeitigen Stand des Leichenschauwesens gibt es sicher eine Menge zu verbessern, aber egal wie das Formular auch strukturiert ist - die Qualität steht und fällt mit der Sorgfalt des Ausfüllenden.

Dr. Hartwig Raeder 05.09.201711:14 Uhr

Fragen

Was soll ich denn im Notdienst machen? Oma ist mit 95 Jahren friedlich im Bett im Pflegeheim verstorben. Welche Todesursache soll ich angeben? Welche Kausalkette wäre korrekt? Alle haben mit dem Tod gerechnet. Besondere Vorerkrankungen gab es nicht. Kein Fremdverschulden und kein nicht natürlicher Tod.

Dieter Döring 05.09.201710:34 Uhr

Totenschein fehlerhaft

Bei der beschissenen Bezahlung (33 €), die in vielen Fällen überhaupt nicht bezahlt werden.
Krankenkasse sagt: Tote sind nicht nicht mehr Mitglied, und da haben wir nichts mehr mt zu tun. Angehörige sagen: Muß die Krankenkasse bezahlen. Bestatter sagt dann das gleiche. Endergebnis: Arzt bekommt nichts. Sehr oft erlebt.
Dann kommen noch: Anfeidungen und manchmal auch Bedrohungen von den Angehörigen, wenn man die Leiche entkleiden will, den Personalausweis verlangt oder nicht natürlicher Tot bescheinigt.
Seit über 20 Jahren soll das schon geändert werden, aber was ist passiert?

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