Nationaler Aktionsplan

Forschung am und für den Patienten

Ein Nationaler Aktionsplan für Versorgungsforschung soll das Fach voran bringen, schlagen Wissenschaftler und Ärzte vor. Höchste Priorität hat, den Patienten einzubeziehen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Das Arzt-Patienten-Verhältnis befindet sich in einem Dilemma. Geht der Patient zum Arzt, wünscht er sich Zuwendung.

Er will mit seinen Interessen und Bedürfnissen wahrgenommen werden. Der Arzt versucht, dem zwar gerecht zu werden. Aber: Das Wartezimmer ist meist voll, die Zeit für das Patientengespräch wird nicht adäquat vergütet.

Das Dilemma spiegelt sich in Umfragen wider. 43 Prozent aller Arzt-Patientengespräche dauern weniger als zehn Minuten, 16 Prozent der Gespräche zwischen Arzt und gesetzlich Versicherten kommen nicht an fünf Minuten heran.

Das haben Erhebungen der Bertelsmann Stiftung und der Barmer GEK für den Gesundheitsmonitor 2012 ergeben.

Bezeichnend ist, dass demnach rund die Hälfte aller Patienten erlebt, dass der Arzt wenig bis gar nicht auf ihre Lebenssituation eingeht.

Fast ein Drittel der befragten GKV-Patienten verließ die Praxis zwar behandelt, aber ohne über Krankheit und Therapie aufgeklärt worden zu sein.

Zwei Drittel aller Patienten, auch der privat Versicherten, berichteten, dass sich die Ärzte im Vergleich zu vor zehn Jahren immer weniger Zeit nähmen und für Gespräche immer seltener offen seien.

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Was haben solche Erkenntnisse mit einer ergebnisorientierten Versorgungsforschung zu tun? Sehr viel, meint Professor Edmund Neugebauer von der Universität Witten-Herdecke.

Mehrere Untersuchungen der Cochrane Collaboration hätten ergeben, dass eine Verbesserung der Patienteninformation, -kommunikation und -einbeziehung zu einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse führe.

"Die Auswirkungen bei den Patienten sind dramatisch gut", berichtet Neugebauer. Alle Outcome-Parameter stiegen mit der Zunahme der Partizipation. Bei den Patienten schwänden die auf Informationsmängeln beruhenden Entscheidungskonflikte. Die Compliance nehme zu.

Die Konsultationszeit insgesamt verlängere sich durch mehr und bessere Patienteninformation nicht zwangsläufig. "Ich glaube nicht, dass sich Wirtschaftlichkeit und Patientenorientierung ausschließen, im Gegenteil", sagt Neugebauer.

Priorisierung der Forschung

Nicht zuletzt deshalb haben das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung und die Bertelsmann Stiftung in ihren Eckpunkten für einen "Nationalen Aktionsplan für Versorgungsforschung" die Patientenorientierung ganz nach oben gestellt.

Den Autoren geht es darum, die Wirkung der bislang häufig nach dem Schrotschussprinzip erfolgenden Versorgungsforschung zu erhöhen.

Gleich an zweiter Stelle folgen die qualitäts- und patientenorientierten Vergütungsanreize für Ärzte und Angehörige weiterer Gesundheitsberufe.

Für Professor Eckart Fiedler von der Universität Köln liegt in einem "modernen Vergütungssystem" der Schlüssel für die Ausrichtung des Systems auf den Patienten.

Eine einheitliche Gebührenordnung werde die Diskriminierung der gesetzlich Versicherten beenden. Außerdem werde es zu einer besseren Verteilung der Ärzte übers Land kommen.

Weitere Forderungen sind der freie und offene Zugang zu den vorhandenen Versorgungsdaten, ein nationales Versorgungsforschungszentrum sowie eigene Lehrstühle und Versorgungsforschungseinrichtungen.

 Der Bund solle nicht nur in die Erforschung der Gesundheitsleistungen investieren. Wichtig sei auch zu erfahren, wie sich die Kernleistung auf den sozialen Kontext auswirke.

75 Millionen Euro für die Forschung

Eine Ankündigung eines "Nationalen Aktionsplans" findet sich im Koalitionsvertrag nicht. Gleichwohl räumen Union und SPD der Versorgungsforschung vergleichsweise viel Platz ein.

Unter anderem sollen aus einem 300 Millionen Euro schweren Innovationsfonds 75 Millionen Euro für die Versorgungsforschung abgezweigt werden. Über die Vergabe der Mittel soll der Gemeinsame Bundesausschuss entscheiden.

Die Datenlage soll nach Auffassung der möglichen Koalitionäre verbessert werden, zum Beispiel durch Register.

Die Kassen sollen nicht länger auf ihren Datenschätzen sitzen, sondern sie dem zuständigen Qualitätsinstitut verpflichtend übermitteln müssen. Leistungsdaten und epidemiologische Daten sollen verknüpft werden.

Außerdem soll ein zu den patientenbezogenen Ausgaben erhobenes Regionalkennzeichen Unterschiede in der Versorgung sichtbar machen.

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